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Sri Lanka - eine Insel in der Sackgasse

Nur eine Allparteienkonferenz unter Beteiligung der „Tiger“ und der nationalistischen Singhalesenpartei JVP kann den Friedensvertrag Rajiv Ghandis noch retten Neugewählte Provinzregierung der frischgebackenen „Nord-Ost-Provinz“ nur Übergangslösung / Neuverhandlungen mit Indien nach der Präsidentschaftswahl im Dezember?  ■  Von Walter Keller

„In Sri Lanka geht es um den Fortbestand der Zivilisation, um den Rückfall in die Barbarei.“ So beginnt der Lagebericht einer Menschenrechtskommission in Colombo für den Monat Oktober. Dabei sollte alles anders kommen, als im Juli 1987 ein „historischer Friedensvertrag“ Sicherheit, Wohlergehen und Frieden für alle Bevölkerungsgruppen der Inselrepublik versprach. Besonders der tamilischen Minderheit gestand er mehr Rechte zu. Vier Tage nach Unterzeichnung des Abkommens erklärte der indische Premier: „Es handelt sich um eine Vereinbarung, die einzigartig in der Geschichte ist.“

Die erhofften innenpolitischen Vorteile, die sich Rajiv Gandhi von seiner Friedensmission versprach, konnte er jedoch bisher nicht verbuchen. Nach anfänglicher Unterstützung seiner Politik in Sachen Sri Lanka ist der Premier während der letzten Monate, nicht zuletzt wegen der großen Opfer auf Seiten der indischen Truppen, ins Kreuzfeuer der Kritik geraten. Etwa 700 indische Soldaten sind nach offiziellen Verlautbarungen bis Oktober 1988 ums Leben gekommen.

Während die ethnischen Auseinandersetzungen der letzten Jahre in eine de-facto-Trennung der von Tamilen bewohnten nördlichen und östlichen Landesteile von den überwiegend von Singhalesen bewohnten südlichen Gebiete mündeten, war der „Friedensvertrag“ Ausgangspunkt für die zunehmende Polarisierung der singhalesischen Bevölkerung. Einerseits gab es Gruppierungen, wie die linken und linksliberalen Parteien, die im Abkommen Fortschritte und Möglichkeiten zur Beendigung des Konfliktes sahen. Andererseits glaubten viele, der große Nachbar habe offen zugunsten der tamilischen Guerilla, die als Grund allen Übels betrachtet wurde, interveniert und Zugeständnisse an Tamilen durchgesetzt, die nicht zu akzeptieren seien. Vor allem aber habe die eigene Regierung durch das Indien eingeräumte Mitspracherecht in innen- und außenpolitischen Angelegenheiten den Ausverkauf des Landes zugelassen.

Süden nicht mehr regierbar

Angeführt wird der Protest im Süden von der wiedererstarkten singhalesisch-chauvinistischen „Janatha Vimukthi Peramuna“ (JVP - Volksbefreiungsbewegung). Sie kämpft gegen alle, die sich positiv zum Vertrag mit Indien äußern. Ihre Opfer waren vorwiegend Mitglieder der regierenden „United National Party“ (UNP) und deren Repräsentanten auf lokaler Ebene, Angehörige der Streitkräfte und linke Politiker. Über 500 politische Morde gehen schon auf ihr Konto. Mittlerweile geht ohne die Zustimmung der JVP nichts mehr. Ihre Frontorganisationen, in der vermutlich Deserteure der Streitkräfte „Dienst tun“, haben mit dem mobilisierenden Slogan „Rettet das Vaterland“ immer größeren Zulauf. Aus den einst so friedlichen südlichen Landesteilen mit ihren Touristenressorts ist ein Krisengebiet geworden, in dem die Regierung nicht mehr Herr der Lage ist.

Die Gründe für die zunehmende Militanz im Süden der Insel sind aber nicht ausschließlich in der antiindischen und antitamilischen Haltung vieler Singhalesen zu suchen. Vor allem die Jugend fühlt sich benachteiligt, ein Großteil ist arbeitslos. Um von den mannigfaltigen wirtschaftlichen und sozialen Problemen abzulenken, hat die Regierung während der letzten Jahre den ethnischen Konflikt geschürt und zum Erstarken chauvinistischer Kräfte beigetragen.

Um die Regierung zu Neuwahlen und der Auflösung des Parlamentes zu zwingen, ordnet die JVP Streiks an, verfügt die Schließung von Geschäften, Fabriken und Touristenhotels und rechnet mit denen ab, die sich ihren Anordnungen widersetzen.

Wer wird neuer Präsident?

Am 19.Dezember sind Präsidentschaftswahlen geplant. Ob diese in der derzeit aufgeheizten Atmosphäre und im allgegenwärtigen Chaos die Situation entschärfen können, bleibt zu bezweifeln.

Für das mit weitreichenden Befugnissen ausgestattete einflußreichste Exekutivamt der Inselrepublik will der amtierende Präsident, der 82jährige J.R.Jayawardene, nicht mehr kandidieren. Neuer Kandidat der UNP ist der jetzige Premierminister, Ranasinghe Premadasa. Er hatte sich während der letzten Jahre durch populistische Programme vor allem bei der marginalisierten singhalesischen Bevölkerung einen Namen gemacht. Da ihm Kontakte zur JVP zugeschrieben werden, verspricht sich die UNP durch ihn am ehesten die Möglichkeit zur Befriedung des Südens. Für die Situation in den tamilischen Landesteilen und das Verhältnis zu Indien wäre ein Wahlsieg Premadasas eine neue Belastung. Denn im Falle seiner Wahl würde er das Abkommen mit Indien modifizieren und für den Abzug der indischen Truppen aus den Nord- und Ostgebieten sorgen.

Hauptkonkurrentin des UNP-Kandidaten ist Sirimavo Bandaranaike von der „Sri Lanka Freedom Party“ (SLFP). Auch sie und ihre Partei richten ihre Politik zunehmend an den Forderungen der JVP aus. Beobachter meinen, die einstige Regierungspartei sei bereits stark von Kadern der JVP unterwandert. Auch „Mrs.B.“, wie Frau Bandaranaike im Volksmund heißt, hat im Falle ihres Sieges neue Verhandlungen mit Indien angekündigt, um die volle „Souveränität des Landes wiederherzustellen“.

Nach den Provinzwahlen

Die beiden Provinzen werden jedoch nur temporär, sozusagen auf Probe, als eine politische und administrative Einheit betrachtet. Nach einem Jahr soll die sich aus jeweils einem Drittel Tamilen, Singhalesen und Moslems zusammensetzende Bevölkerung der Ostprovinz durch ein Referendum entscheiden, ob sie eine zusammengelegte „Nord-Ost-Provinz“ weiterhin wünscht. Mit dem notwendigen Referendum ist bereits jetzt die Saat für eventuelle neue Spannungen gelegt. Die „Liberation Tigers of Tamil Eelam“ (LTTE) haben trotz der Aufforderung Indiens, sich „in den politischen Prozeß zu integrieren“, zum Boykott der Wahlen aufgerufen und allen, die sich an den Wahlen beteiligen, mit Konsequenzen gedroht. „Wir werden diese Leute als Verräter betrachten“, hieß es.

Bei den unter scharfen Sicherheitsvorkehrungen abgehaltenen Provinzwahlen am Wochenende gaben die Wähler der Nord-Ost -Provinz dennoch ein eindeutiges Votum ab gegen die „Befreiungstiger“. Die Wahlbeteiligung war sehr hoch, und Sieger blieb eine ehemalige Guerillagruppe, die „Eelam Volksbefreiungsfront“, mittlerweile umgewandelt in eine politische Partei. Doch die neue Provinzregierung wird wohl nur ein Schattendasein führen. Ohne eine Beteiligung und Einbeziehung der LTTE - wie immer man zu ihr steht - kann es weder eine Lösung der Probleme der Tamilen geben, noch kann Indien jemals darauf hoffen, die Inhalte des für Gandhi so wichtigen „Friedensvertrages“ umsetzen.

Qadri Ismail, Journalist von der in Colombo erscheinenden liberalen 'Sunday Times‘, sieht das Land in einem tiefen Dilemma. Für ihn könnte nur eine Allparteienkonferenz das existierende Chaos beseitigen. Dazu müßten sich außer Regierungsvertretern aus Colombo und New Delhi alle srilankischen Oppositionsparteien, einschließlich der JVP und die tamilischen Parteien und militanten Gruppierungen, an einen Tisch setzen, um ganz neue Rahmenbedigungen auszuarbeiten. „Die Chancen dafür sind jedoch nur wenig geringer, als ein Sonnenaufgang im Westen von Sri Lanka“, meint er.

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