Würdigung für Vergewaltigungsopfer

Vatikanzeitung lobt posthum Maria Cammarata / Zuvor hatte das Blatt über Lebenswandel der jungen Frau gehetzt / Italienische Frauenvereinigungen kündigen Kundgebung an  ■  Aus Rom Werner Raith

Als „mutige, von den Tätern und ihren Anwälten vom Opfer regelrecht zur Angeklagten gemachten Frau“, hat das Vatikanblatt 'Osservatore Romano‘ die am Wochenende verstorbene, am 6.März 1988 nahe der Piazza Navona im Zentrum Roms von drei jungen Männern vergewaltigte Maria Carla Cammarata gewürdigt: ein für das Papst-Sprachrohr erstaunlich langer und einfühlsamer Artikel über die junge Frau, der von demselben Blatt noch während ihres Prozesses ihre „ungeregelten Familienverhältnisse“ ebenso wie ihre Drogenabhängigkeit vorgehalten wurde. Auch andere Stellen und Gruppen haben inzwischen Stellungnahmen zum Fall der schwer gedemütigten Frau abgegeben (die drei Vergewaltiger hatten vergangene Woche in zweiter Instanz einen mächtigen Strafnachlaß bekommen und waren entlassen worden): die Gemelli-Klinik, wo Frau Cammarata zuletzt behandelt worden war, hat „kategorisch“ dementiert, daß Maria Carla, wie die Tageszeitung 'La Repubblica‘ maliziös unterstellt hatte, an Aids gestorben sei. Die offizielle Todesursache von Maria Cammarata war eine Lungenentzündung; doch italienische Frauenverbände sind der Ansicht, daß die Frau den Spätfolgen der Mißhandlungen gestorben ist. Die Frauenvereinigung „Tribunale 8 marzo“ hat in einer Dokumentation nachgewiesen, wie sehr die Behörden - auch die der Stadt Rom, deren Bürgermeister ihr zum Prozeß spektakulär Blumen geschickt hatte - Maria Carla bei der Suche nach Hilfe (um Arbeit, um Unterkunft, um Kontakt mit einem ihrer Kinder) allein gelassen hat. Die Fraktion von „Democrazia proletaria“ hat beantragt, die Piazza, wo die Tat geschehen ist, nach der Verstorbenen umzubenennen. Für die nächsten Tage sind Kundgebungen der großen nationalen Frauenvereinigungen zum Fall vorgesehen.