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Keine Strategie-betr.: "Korruptionsskandal im Saarland", taz vom 18.11.88

betr.: „Korruptionsskandal im Saarland“, taz vom 18.11.88

Am 9.November haben sich die saarländischen Grünen mit folgender Presseerklärung an die Öffentlichkeit gewandt: „Nach Informationen der Grünen wurden von der Staatsanwaltschaft bei einer Durchsuchung der Firma Renitex hausinterne Aktenvermerke sichergestellt, in denen mindestens zwei SPD-Abgeordnete als mögliche Schmiergeldempfänger mit einem Pfeil markiert wurden.“

Mit dieser Presseerklärung überschlugen sich im Saarland die Ereignisse. Die SPD dementiert am nächsten Tag nicht den Inhalt und die Sachlage, wohl aber die Parteizugehörigkeit der von den Grünen genannten Abgeordneten. Namenlose „SPD -Kreise“ spielen der Presse die Namen des ehemaligen CDU -Landtagsabgeordneten Meder und des CDU -Bundestagsabgeordneten Hans-Werner Müller zu. Kurz darauf verlangt die CDU den Untersuchungsausschuß. Damit ist auch eine Hauptforderung der Grünen-Saar erfüllt.

In dem taz-Artikel vom Freitag wird nun in diesem Zusammenhang von einer „Strategie“ der Grünen gesprochen. Es entsteht der Eindruck, als hätten die Grünen nur deshalb von zwei SPD-Abgeordneten gesprochen, um die SPD in die Offensive zu drängen und sie damit ihrerseits zu zwingen, ihre offenbar sehr detaillierten Informationen über geheime Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft öffentlich zu machen. Dies klingt zwar wunderbar und läßt den Eindruck entstehen, die Grünen hätten die SPD schachmatt gesetzt; doch dies gehört ins Reich der Fabel und entspricht nicht den Tatsachen.

Richtig ist, daß die Grünen über Informationen verfügten, die den Verdacht der Bestechung von seiten der Firma gegen Politiker rechtfertigen. Diese Informationen wurden nach bestem Wissen und Gewissen geprüft. Die Grünen kamen zu dem Schluß, daß die skandalösen Inhalte dieser Informationen veröffentlicht werden müssen, insbesondere deswegen, da man davon ausgehen konnte, daß „SPD-Kreise“ ebenfalls über diese Informationen oder sogar Kopien dieser Akten verfügten, diese aber bewußt zurückhielten. Ein Grund für diese „Zurückhaltung“ der SPD konnte sein, daß sie keinen Untersuchungsausschuß riskieren wollte, was womöglich eigene „Leichen im Keller“ zutage gefördert hätte. Ein anderer Grund für die „Zurückhaltung“ der SPD konnte aber auch sein, daß sie mit den Inhalten der skandalösen Ermittlungsakten und den dort genannten CDU-Abgeordneten über Informationen verfügten, die die CDU zu der Einsicht hätten bringen können, wie die SPD ebenfalls keinen Untersuchungsausschuß zu fordern. Damit hätte die Öffentlichkeit kaum eine Möglichkeit gehabt, die Praktiken der Vorgängerregierung und der jetzigen Landesregierung hinsichtlich des Umgangs mit der Firma Renitex unter die Lupe zu nehmen - auch nicht den Millionenvergleich der SPD-Landesregierung, mit dem der Firma elf Millionen DM an Abwasserabgaben „geschenkt“ (?) wurden.

Der Vorstoß der Grünen mag im nachhinein als coole Polit -„Strategie“ erscheinen, mit der sie als außerparlamentarische Partei einen Untersuchungsausschuß im Landtag durchgesetzt hat - bei verdächtiger Unlust aller anderen Parteien. Doch dies wäre mehr als Legendenbildung. Keine Legende ist, daß jetzt in einem Untersuchungsausschuß drei Parteien (CDU, FDP, SPD) sitzen werden, die alle sowohl „Angeklagte“ als auch ihre eigenen Richter sind.

Uwe Grieger, Saarbrücken

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