ZUM BESSEREN VERSTÄNDNIS

■ Die Konzertreihe „Die türkischen Fünf“

Türkische Musik? Man denkt an eine Folkloreveranstaltung, die man einmal besucht hat, das eine oder andere türkische Saiteninstrument mag einem einfallen, vielleicht hat man eine diffuse Vorstellung von einer unseren Hörgewohnheiten eher fremden Melodie.

Und weiter? Türkische Musik... Vielleicht denkt man noch an Mozarts Janitscharenmusik in der Entführung oder sein Alla turca, pseudo-türkisierende Musik, die natürlich mit traditioneller türkischer Kunstmusik nichts zu tun hat. Wer denkt schon an eine bis ins 15. Jahrhundert belegte und wahrscheinlich wesentlich weiter zurückreichende, eigenständige Tradition türkischer Kunstmusik, die zu Beginn des 19. Jahrhunderts erste Kontakte zur westlichen Musik knüpfte? Italienische Musiker wurden an den Hof des Sultans berufen, Gaetano Donizettis Bruder Giuseppe beispielsweise begründete ein Orchester westlichen Zuschnitts. Die in dieser Zeit vielseitigen Wechselbeziehungen zwischen westlicher und östlicher Musik sind Anzeichen für ein starkes gegenseitiges Interesse, das sich in der westlichen Musik beispielsweise in jener Janitscharenmusik niederschlug.

Kemal Atatürk begründete diese Beziehungen neu. Er schickte junge Männer zur Ausbildung nach Westeuropa, vornehmlich nach Paris. Mit zwei Konzerten soll nun auf diesen wichtigen Aspekt türkischer Musik aufmerksam gemacht werden. Die Komponistengeneration der „Türkischen Fünf“ - die Pioniere zeitgenössischer Musik in der Türkei - soll vorgestellt werden. Charakteristisch für deren Stil ist das Verschmelzen türkischer Elemente aus Volks- und Kunstmusik mit den Grundlagen europäischer Musiktradition. Auf die hierzulande nahezu unbekannten Komponisten wirkte vor allem der französische Impressionismus der zanziger und dreißiger Jahre.

Das Oratorium Yunus Emre eines der Hauptwerke des wichtigsten Vertreters jener Gruppe, Ahmed Adnan Saygun (geb. 1906), kommt am 7. Dezember im Konzertsaal der HdK zur Aufführung. Das Oratorium ist nach dem türkischen Dichter des 14. Jahrhunderts benannt, dessen Worte es vertont. Der Dirigent der Aufführung, Hikmet Simsek, über Yunus Emre: „Nicht nur als Volksdichter, sondern auch als Philosoph drückte der erlauchte Weise der türkischen Gedankenwelt seinen unvergänglichen Stempel auf. Seine größte persönliche Fähigkeit war sein unvergleichlicher Humanismus.“

Schon heute abend wird im Kammermusiksaal der Philharmonie (um 20 Uhr) die in Istanbul, New York und Berlin ausgebildete Pianistin Benal Tanrisever Werke ihrer Landsleute Ulvi Cemal Erkin und Zeki Ün sowie Schumanns Kreisleriana und Richard Strauß‘ Klaviersonate op.5 spielen. Außerdem stehen Bela Bartoks Alte Tanzweisen auf dem Programm.

Dies ist insofern von besonderem Interesse, da Bartok eine bedeutende Rolle für die Entwicklung der türkischen zeitgenössischen Musik spielte und als Mittler zwischen Kunst- und Volksmusik, auch in bezug auf türkische Musik, wirkte..

Anno Mungen