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Soldaten sollen die Armenier retten

■ KP-Führer Aserbeidjans abgesetzt / Armee wird in der Republik von Bewohnern angegriffen / Sacharow: mindestens 130 erschlagenen Armeniern

Berlin (ap/dpa/taz) - Die Parteiführer der aserbeidjanischen Provinz Nachitjewan und der Stadt Kirowabad sind am Samstag wegen der Pogrome an der armenischen Minderheit abgesetzt worden. Die Armee hat zwar den Befehl, Leben und Eigentum der dort lebenden Armenier zu schützen, heißt es aus Moskau. Nach Berichten der sowjetischen Armeezeitung 'Krasnaja Swesda‘ vom Samstag werden aber anrückende Soldaten von Aserbeidjanern mit Säureflaschen und Molotowcocktails angegriffen. Die am Dienstag getöteten drei Militärs sind durch eine Handgranate ums Leben gekommen. Allein in der aserbeidjanischen Stadt Kirowabad wurden mehr als 70 Versuche registriert, in Häusern und Wohnungen von Armeniern einzudringen, meldete die sowjetische Nachrichtenagentur 'tass‘. Vorwürfe richtete die Armeezeitung gegen die örtliche Miliz, die „untätig“ den Demonstrationen zusähen. „Ich habe die Miliz nie auf dem Posten gesehen“, berichtete ein Soldat. Die Partei- und Staatsorgane seien kaum mehr Herr der Lage, zitierte die Zeitung einen Generalmajor.

Der Leiter des Informationsbüros im aserbeidjanischen Aussenministerium, Mussa Mamedow widersprach der Darstellung des sowjetischen Nobelpreisträgers Andrej Sacharow, daß mehr als 130 Armenier Opfer der Unruhen gewesen seien. Die Zahl schließe auch die bei Zusamenstößen mit Soldaten getöteten Aserbeidjaner ein.

Seit Dienstag wurden mehr als 150 Personen festgenommen und eine Reihe von Schußwaffen beschlagnahmnt. Trotz der nächtlichen Ausgangssperre in Aserbeidjan gehen die Demonstrationen in Baku weiter. Drei aserbeidjanische Zivilisten wurden am Freitag von Soldaten erschossen, weil sie das Ausgehverbot verletzt haben. „Auch am dritten Tag nach der Verhängung der Ausgangssperre arbeiten viele Betriebe nicht, stockt der Verkehr“, heißt es in der 'Komsomolskaja Prawda‘. Auf den Straßen sind Panzer aufgefahren, mit Maschinenpistolen bewaffnete Soldaten patrouillieren in der Hauptstadt Baku.

Über 2.200 Armeniern gelang nach Angaben der armenischen Nachrichtenagentur 'Armenpress‘ die Flucht aus Aserbeidjan in die Republik Armenien. Seit Freitag ist auch in der armenischen Hauptstadt Eriwan eine Ausgangssperre verhängt, die nach Berichten aus der Stadt auch eingehalten wird. In der gesamten Stadt patrouillierten Soldaten. Das Militär schritt bereits ein, wenn zwei oder drei Leute auf der Straße zusammenstünden, hieß es. Angesichts der ernsten Lage appellierte der sowjetische Dichter Jewtuschenko an die „Intelligenzija“ beider Republiken, „mittels der Kraft des Wortes und des persönlichen Beispiels dem Haß ein Ende zu bereiten“. In dem am Sonntag auf der ersten Seite der 'Prawda‘ veröffentlichten Aufruf warnte er vor „nordirischen Zuständen“ im Kaukasus.

Sacharow sprach von einer ernsten Gefahr des Völkermords an den Armeniern und hatte die sowjetische Regierung am Freitag aufgefordert, Militär nach Aserbeidjan zu entsenden. Partei und Staatschef Michail Gorbatschow kündigte inzwischen an, in Kürze mit Delegationen aus beiden Republiken zusammenzutreffen, um mit ihnen Möglichkeiten über die Konfliktlösung zu beraten.

Estnische „Souveränität“ ungültig

Zunächst jedoch hat Gorbatschow mit den Konflikten während der Verfassungsdebatte zu tun, die am Dienstag im Obersten Sowjet ihren Abschluß finden soll.

Die „Souveränitätserklärung“ Estlands vom 16.November sei „verfassungswidrig“ und damti „ungültig“, erklärte das Präsidium des Obersten Sowjet am Samstag. Der Oberste Sowjet Estlands hatte die baltische Republik mit diesem Dokument für autonom erklärt. Nur in der Außen- und Verteidigungspolitik wollte man sich noch durch Moskau vertreten wissen. Alle dort erlassenen Gesetze müßten erst vom Obersten Sowjet in Estland gebilligt werden, ehe sie in der Republik rechtskräftig werden könnten.

Die sowjetische Nachrichtenagentur 'TASS‘ zitierte Gorbatschow mit den Worten: „Wir gelangen zu dem Schluß, daß die vom Obersten Sowjet Estlands getroffene Entscheidung in tiefem Widerspruch zur sowjetischen Verfassung steht und daher als verfehlt abgelehnt werden muß. Sie hat keine Rechtswirksamkeit.“

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