: „Operation taz“
■ Stellungnahmen zur Observierung durch den VS
In einem offenen Brief an den Regierenden Bürgermeister von Berlin hat der Journalisten-Verband Berlin seine Bestürzung über die nachrichtendienstliche Ausspähung der taz zum Ausdruck gebracht. „Wegen der weitreichenden politischen Bedeutung des Vorgangs“, so die JVB, „und der damit möglicherweise verbundenen unabsehbaren Konsequenzen halten wir es deshalb für geboten, Sie direkt um eine Stellungnahme zu bitten. In der Stellungnahme der Bundesgeschäftsstelle des DJV fragt der Hauptgeschäftsführer die politisch Verantwortlichen, was eigentlich der Streit um das Zeugnisverweigerungsrecht für Journalisten solle, wenn ein so elementarer Bestandteil der Pressefreiheit wie das Redaktionsgeheimnis frontal angegriffen wird. Wie soll die Presse ihre Kontrollfunktion wahrnehmen, wenn das Redaktionsgeheimnis außer Kraft gesetzt wird. Der Landesvorsitzende der Berliner FDP, Walter Rasch, kündigte an, seine Partei überlege, in der kommenden Legislaturperiode eine Novellierung des Verfassungsschutzgesetzes einzubringen. Auch im Verfassungsschutz dürfe es hinsichtlich des Datenschutzes keine rechtsfreien Räume geben - deshalb könne eine präzisere und schärfere Formulierung des entsprechenden Gesetzes hilfreich sein.
Die Berliner Alliierten, federführend zur Zeit die USA, sahen sich am Sonntag noch nicht in der Lage zu einer Stellungnahme und konnten sich auch am Montag noch nicht dazu äußern. Der Chefredakteur des Berliner 'Tagesspiegel‘ Günter Matthes, sagte gegenüber der taz: „Ich empfinde es als skandalös, wenn ein Journalist, nur weil er bei einer bestimmten Zeitung arbeitet, zum Objekt des Verfassungsschutzes wird.“
Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), Landesverband Niedersachsen, hat in einem Brief an den Chef des Berliner Verfassungsschutzes, Wagner, gegen die Bespitzelung der taz protestiert, in dem Brief heißt es: „Mit Schrecken habe ich aus den heutigen Presseberichten von der Überwachung der 'Tageszeitung‘ durch Mitarbeiter des Berliner Verfassungsschutzes erfahren. Sollte es tatsächlich stimmen, daß diese Zeitung routinemäßig abgehört, daß ihre Post geöffnet und sogar V-Männer eingeschleust worden sein sollten, dann hätten Sie dem Vertrauen in die demokratische Kultur unseres Landes einen unglaublichen Schaden zugefügt, Ich brauche nicht zu betonen, daß das Redaktionsgeheimnis ein unverzichtbarer Bestandteil der Pressefreiheit ist und daß Verbände aller Art auf eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Medien angewiesen sind. Ich lege dabei, wie meine Kollegen, keinen Wert auf stille Mithörer in der Leitung.“
Werner Mauss (alias Richard Nelson, Heinz Franke, Sigfried Scharz oder Doktor Lange): „Daß ich in der taz gearbeitet haben soll, ist blanker Unsinn, auch wenn der langjährige taz-Hausmeister zehnmal entfernte Ähnlichkeiten mit einem meiner Erscheinungsbilder hat. Dafür kann ich doch nichts! Wenn überhaupt, dann würde ich mir eine Stelle als Wartungsingenieur für die taz-Telefonanlage suchen. Außerdem käme ich dann unter Garantie als Frau, wenn ich in Ihrem Hause in geheimer Mission tätig werden müßte. Aber Sie glauben doch nicht im Ernst, daß ich für Ihren lächerlichen Einheitslohn auch nur einen Finger rühren würde, nicht mal zum Schein! Ehrlich gesagt, die Geheimnisse der taz von heute weiß doch ohnehin morgen alle Welt. Das interessiert mich sowieso nicht so sehr, und der Berliner Verfassungsschutz ist mir zudem zu provinziell und stümperhaft, ich habe noch von den Niedersachsen die Nase voll.“
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