: Frauen im Nazifilm
■ Die Zeitschrift 'Frauen und Film‘ hat ein Heft zum Thema Faschismus herausgegeben
Im Oktoberheft der Zeitschrift 'Frauen und Film‘ beschäftigen sich die Autorinnen in ihren Beiträgen mit der Filmkunst des Faschismus. Im ersten Teil steht der spanische Film der Franco-Zeit im Mittelpunkt, der Hauptteil ist dem NS-Film gewidmet. Durch diese Gliederung wollen die Autorinnen die Unterschiede innerhalb des faschistischen Films verdeutlichen. Während es sich im ersten Komplex um eine generellere Analyse des frankistischen Films handelt, beschreiben die Autorinnen des Hauptteils ihr Anliegen in erster Linie an bedeutenden Persönlichkeiten des NS-Films.
Dabei werden aber nicht einfach Biographien heruntergebetet oder Filminhalte wiedergegeben. Verena Lueken weist auf die Verdrängungsmechanismen der Ingrid Bergmann hin, die zwar um ihre unpolitische Haltung zu unterstreichen - Goebbels Einladung zum Tee ausschlug, gleichzeitig aber nicht die politischen Dimensionen ihrer Arbeit bei der Ufa als Bestandteil des NS-Systems begreifen wollte oder konnte. Regine Mihal Friedman beschreibt den Versuch von Kristina Söderbaum, ihren verstorbenen Mann Veit Harlan (Regisseur des Hetzfilms Jud Süß) vom Vorwurf des Antisemitismus zu befreien. Auf diese Weise wird immer wieder die Verdrängung deutlich gemacht, die Bemühung, sich mit dieser Epoche nicht identifizieren zu müssen.
Obgleich die Berichte oft sehr persönlich sind, geht es nicht um eine Abrechnung mit ehemaligen Filmstars, sondern darum, das Ausmaß des Nationalsozialismus auch dort deutlich zu machen, wo er in diesem Grad nur selten vermutet wird.
Die Autorinnen setzen sich auch mit der Rollenverteilung von Frau und Mann im NS-Film auseinander. Heide Schlüpmann hat das Selbstverständnis der Frauen in ihrem Beitrag Faschistische Trugbilder weiblicher Autonomie eigens zum Thema gemacht. Sie stellt in ihrem Artikel die Differenz zwischen dem nationalsozialistischen Frauenbild und dem Selbstbewußtsein der damaligen Kinostars dar. Dem Hausfrauen - und Mutterstereotyp standen selbständige und erfolgreiche Persönlichkeiten wie unter anderem Leni Riefenstahl gegenüber. Schlüpmann zeigt, daß der scheinbare Ausbruch vieler Filmstars aus der Dogmatik der Rollenverteilung sich als Fehlemanzipation erwiesen hat. In ihrem Artikel entmythologisiert die Autorin insbesondere die Filme der Leni Riefenstahl und macht deutlich, daß es sich hierbei nicht um außergewöhnliche Kunst handelt, sondern um „Frauenphantasien (...), wie sie im Rahmen des patriarchalischen nationalsozialistischen Kinos“ entstanden. Der Autorin zufolge wird in dem Riefenstahl-Film Friedemann Bach deutlich, wie die Frau in einer solchen Gesellschaft zur Passivität verurteilt wurde, sie ihren Bewegungsdrang nur über die Identifikation mit einem Mann realisieren konnte. In diesem Zusammenhang setzt sie sich auch mit der Faszination des Faschismus kritisch auseinander.
Anja Cotte
'Frauen und Film‘, Faschismus, Oktober 88, Nr. 44/45 (Doppelnummer); herausgegeben von Gertrud Koch und Heide Schlüpmann, Stroemfeld/Roter Stern, 171 Seiten, 30 Mark
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