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Chemiefabrik vergiftet 19.000

Fünf Menschen sollen in Marktredwitz an Quecksilbervergiftung gestorben sein / SPD fordert Untersuchung  ■  Von Wolfgang Gast

Berlin (taz) - Zur Aufklärung eines nach Angaben der bayerischen SPD der größten Umweltskandale hat die Partei jetzt einen Untersuchunfsausschuß im Münchner Landtag gefordert. Im Zusammenhang mit dem Strafverfahren gegen vier Firmenvorstände der 1985 geschlossenen Chemischen Fabrik Marktredwitz (CFM) erhoben die Bayerischen Sozialdemokraten zusammen mit dem renomierten Toxikologen Max Daunderer am Dienstag schwere Vorwürfe auch gegen die zuständigen Behörden. Wie berichtet, verseuchte die CFM die 19.000 Einwohner zählende Stadt Marktredwitz im großen Maßstab. Tausende Tonnen von Giftmüll lagern immer noch auf dem Firmengelände; der Quecksilbergehalt eines Baches nahe der Fabrik übersteigt die Grenzwerte um das Vierhundertfache.

Der Toxikologe Daunderer nannte die Firmenvertreter, die seit dem 8.November im oberfränkischen Hof vor Gericht stehen, „Strohmänner“. Eigentlich müßten die Behördenvertreter für ihre „unglaublichen Schlampereien“ auf der Anklagebank sitzen. Obwohl seit 1950 bei den Bewohnern der Kleinstadt Quecksilbervergiftungen bekannt sind, hätten die Beamten „das Desaster wohlweislich in Kauf genommen“. Ebenso wie die Betriebsärzte der Chemiefabrik hätten sie die gesundheitlichen Schädigungen der Mitarbeiter jahrelang geduldet. Auch die Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie in Nürnberg hätte Hand in Hand mit dem Erlanger Institut für Sozial- und Arbeitsmedizin statt chronischer Quecksilbervergiftungen Altersschwäche, Alkoholismus oder sogar Tuberkulose diagnostziert. Daunderer, der mehrere Mitarbeiter der CFM mit Vergiftungserscheinungen behandelt hat, befürchtet, daß es in Marktredwitz so gut wie niemanden gibt, „der nicht eine Quecksilberaufnahme erlitten hat“. Auf und um das Firmengelände gebe es „eine exzessiv hohe Quecksilberbelastung, an der bislang mindestens fünf Personen verstorben sind“.

Das Bayerische Justizministerium hat unterdessen alle Vorwürfe zurückgewiesen und als „falsch und verleumderisch bezeichnet“.

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