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KOMMENTARAbschreckend

■ Asyl-Baracken: klassisch und an geschichtlichem Ort

Zu Recht waren Bremer Senatoren bisher stolz darauf, daß es hier kein Sammellager für politische Flüchtlinge gibt. Denn ein Sammellager schreckt die AsylbewerberInnen ab. „Etwas besseres findest du überall“, sollen sie denken und sich wieder auf die Reise begeben. Deutsche Behörden –Gastfreundschaft.

Jetzt hat ein Bremer Spitzenbeamter sich doch ein Barackenlager ausgesucht. Natürlich nicht zur Abschreckung, wird von der Sozialbehörde versichert. Aber: Es könnte abschreckender nicht sein. Die Lagerarchitektur hat sich seit 1945 nur in den Details weiterentwickelt. Auch der Ort hat Tradition: Im Industriehafen lagen zu Kriegszeiten die Baracken der KZ-Häftlinge und Kriegsgefangenen, die auf der AG Weser und beim nahen U-Boot-Bunker Sklavenarbeit leisten mußten.

Bremen beherbergt seit wenigen Tagen fünf politische Flüchtlinge, die sich durch einen Tunnel aus einem türkischen Gefängnis herausgruben, um ihrem Henker zu entgehen. Hoffentlich landen sie nie hinterm Stacheldraht des Gröpelinger Lagers. Sie würden zu Recht daran zweifeln, ob ihr Tunnel sie wirklich in die Freiheit geführt hat.

Michael Weisfeld

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