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„Kewenig kann Verantwortung nicht abschieben“

■ Walter Momper, Chef der Berliner SPD, nahm zur Behauptung Innensenator Kewenigs Stellung, der sagte, die taz sei nie vom Verfassungsschutz bespitzelt worden

taz: Herr Momper, Innensenator Kewenig hat am Dienstag zu ihren Vorwürfen gegenüber dem Verfassungsschutz Stellung genommen. Dabei bezichtigt er sie implizit der Lüge. Laut Kewenig ist die taz nie „im Ganzen“ observiert worden, sind nie V-Leute eingeschleust worden und nie nachrichtendienstliche Mittel gegen die taz angewandt worden. Müssen Sie diese Behauptungen des Innensenats nun einfach schlucken?

Momper: Herr Kewenig hat in seinem Schreiben ja sehr sorgfältig formuliert. Es ist ja so, daß der Innensenator nicht mehr zu leugnende Tatsachen implizit oder direkt zugegeben und anderes wortreich umgangen hat. Ein Beispiel: Kewenig redet davon, daß die Redaktion als solche nicht überwacht wurde. Dabei läßt er die Überwachung beliebig vieler Redakteure außen vor.

Immer wenn es auf Nachfragen um konkrete Details ging, verweigerte Kewenig ja die Aussage mit Verweis auf die Geheimhaltungspflicht. Also das sattsam bekannte Muster: Zugeben, was nicht mehr zu leugenen ist, und verschweigen, was man noch verschweigen kann.

Welche Möglichkeit sehen Sie denn nun, Kewenig zu erwidern und ihre Vorhalte zu substantiieren?

Dafür wollen wir ja die Einrichtung des Untersuchungsausschusses. Neben der Klärung der einzelnen Vorwürfe geht es uns darum, das Parlament erst einmal in die Lage zu versetzen, seine Kontrollaufgaben wahrnehmen zu können.

Der Innensenator hat zu der Frage, ob der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel vielleicht nicht über den Verfassungsschutz, sondern direkt über die Alliierten gelaufen ist, vielsagend geschwiegen.

Können Sie uns aus ihrer grundsätzlichen Kenntnis über die Zusammenarbeit zwischen Allierten und Verfassungschutz da vielleicht aufklären?

Das Maß der Zusammenarbeit im einzelnen entzieht sich meiner Kenntnis. Die Alliierten haben sich zwar die Zuständigkeit unter anderem für Fragen der Sicherheit Berlins vorbehalten, aber das spielt in unseren Fällen keine Rolle. Hier hat die deutsche Seite in ihrer eigenen Verantwortung Dinge angeordnet, Erkenntnisse haben wollen, die sie offenbar auch bekommen hat.

Damit ist ausschließlich eine deutsche Verantwortung gegeben. Kewenig kann nun nicht hinterrücks eine Verantwortung abschieben, die eindeutig bei ihm liegt.

Wissen Sie schon, wer der unabhängige Ermittler sein soll, den der Regierende Bürgermeister anheuern möchte, um die ganze Affäre aufzuklären?

Nein, Herr Diepgen hat mich dazu nicht befragt. Das wird offenbar eine Person seines Vertrauens. Aber es ist ja schon ein seltsamer Vorgang, wenn der Regierende Bürgermeister jemanden einsetzen will, der die von ihm selbst geleitete Exekutive kontrolliert.

Wir haben nichts dagegen, wenn die Verwaltung sich externe Gutachter holt. Aber letztlich kann Diepgen sich vor seiner eigenen Verantwortung auch nicht drücken. Herr Kewenig ist ja nur noch Senator auf Zeit. Die letzte Verantwortung trifft selbstverständlich den Regierungschef.

Interview: Jürgen Gottschlich

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