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Wenn Polizisten verhört werden

■ Geiselausschuß: Leitender Beamter kritisiert Kripochef und Politiker

Polizeioberrat Jürgen Waldschmidt ist ein selbstkritischer Mann. Manches, sagt er, hätte besser laufen können in der Einsatzzentrale der Polizei während des Bremer Teils des Geiseldramas am 17. August. Aus der zeitlichen Distanz betrachtet selbstverständlich, schränkt der Polizeioberrat vor dem Geiselausschuß immer wieder ein.

Hat der Einsatzleiter, der Landeskriminaldirektor Peter Möller, Dienstvorschriften umgangen? Ist der Führungsstab der Polizei überhaupt offiziell einberufen worden, oder war das ein eher zufällig zusammengesetzes Gremium, das vom Polizeihaus am Wall den Einsatz koordinieren sollte? Hat Möller seine Kollegen im Führungsstab ausreichend informiert, sie zur Lagebesprechung zusammengerufen? „Nein“, sagt Waldschmidt, und bestätigt damit Vorwürfe, die der Leiter des Führungsstabes Spychalla, in der vergangenen Woche vor dem Untersuchungsausschuß gegen Möller vorgebracht hatte, es habe keine förmliche Lagebesprechung stattgefunden. Waldschmidt: „Nachdem Spychalla zweimal versucht hat, alles am Lagetisch zu konzentrieren, habe ich laut gesagt: 'Können wir denn nicht alle mal an einen Tisch kommen.'“

Genutzt hat es nichts. Möller hielt sich über weite Strecken lieber direkt am Funktisch auf. Doch wäre es nach der Dienstvorschrift nicht auch Aufgabe von Spychalla, dem Leiter des Führungsstabes gewesen, eine Stabsbesprechung vorzubereiten und durchzuführen? War nicht auch Spychalla mit seiner Aufgabe überfordert? Mit dieser Frage hat der Untersuchungsausschuß die Grenze der Aussagebereitschaft von Waldschmidt erreicht: „Sie verlangen hier von mir etwas ab, was ihre Aufgabe ist. Aber hier von mir und anderen zu verlangen, über andere den Stab zu brechen, das geht nicht. Wir müssen weiter zusammenarbeiten.“

Anderes Thema: Hat die Anwesenheit der Politiker die Einsatzleitung gestört? Immerhin stand Innensenator Bernd Meyer ab 14.30 Uhr in der Einsatzzentrale herum. Nach Waldschmidt hat er sich zumindest ruhig und zurückhaltend verhalten und nicht im aktiven Sinne eingegriffen, aber trotzdem: „Ob da nicht möglicherweise eine unbewußte Teilung der Aufmerksamkeit stattfindet... Aber man kann die ja nicht unter Anwendung von Gewalt 'rausbringen.“ Einmal aber hat sich Waldschmidt aber doch sehr gewundert: Da saß am Abend plötzlich ein unbekannter Mann am Funktisch. „Ich habe Kollegen gefragt: 'Wer ist das?‘ Und da war das ein Kraftfahrer.“ Nachfrage des Ausschusses: „Der Fahrer des Bürgermeisters.“ Waldschmidt: „Ja.“

Diesem Teil der Vernehmung lauschte Einsatzleiter Peter Möller ohne größere Emotionen. Zuvor aber, als Waldschmidt mehrmals nicht genau über Dienstvorschriften Auskunft geben konnte, hatte Möller mehrmals abfällige Bemerkungen über die fachliche Qualität Waldschmidts gemacht. Von seinen Fähigkeiten scheint der Kripochef nach wie vor überzeugt. Am morgen hatte er dem Ausschuß gut drei Stunden kerzengerade stehend Auskunft gegeben. Quintessenz der Aussage: Wenn etwas falsch gelaufen ist, dann liegt es nicht an mir, sondern an Personen im Führungsstab, insbesondere an Spychalla. Fragte der Grüne Martin Thomas: „Haben Sie keine Lagebesprechung gemacht, weil sie den Einsatzleiter für eine Niete halten?“ - „Ich habe ihn nie für eine Niete gehalten.“ Als der Ausschußvorsitzende Kudella aber seinen Eindruck vortrug, daß Beamte nicht vorbereitet gewesen seien, sagte Möller: „Ich muß Ihnen das bestätigen, obwohl ich das nicht begreifen kann.“

hbk

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