GO WEST

Tourismus aus den sozialistischen Staaten: Tendenz steigend Gespräch mit dem Friedensforscher Norbert Ropers  ■ I N T E R V I E W

taz: Inwieweit kann der Tourismus zwischen Ost und West zur Entspannung zwischen den Bündnissen beitragen?

Norbert Ropers: Er kann die Einstellungen und die Kenntnisse über die jeweils andere Seite verbessern, vorausgesetzt, daß es zu länger anhaltenden Kontakten kommt. Auf beiden Seiten müßte zum Beispiel auch die Bereitschaft vorhanden sein, die Sprache zu erlernen oder öfter in die Länder des anderen Systems zu fahren. Wenn es gelingt, auf längere Sicht zwischen Ost und West ein Netz von Freundschaften und Bekanntschaften zu knüpfen, dann hat das stabilisierende Wirkungen.

Vor dem Hintergrund von Glasnost und Perestroika: wird der gegenseitige Touristenstrom in Zukunft noch zunehmen?

Es gibt ja jetzt schon Anzeichen dafür, daß der Tourismus aus den kleineren sozialistischen Staaten in den Westen stark zugenommen hat. Die traditionelle Assymetrie hat sich abgeschwächt, wenn sie sich nicht sogar in manchen Fällen umgekehrt hat. Dieser Prozeß wird weitergehen, weil die Osteuropäer im Prinzip am Westen viel stärker interessiert sind als es umgekehrt der Fall ist. Langfristig kann mit einer umgekehrten Assymetrie gerechnet werden.

Wie ist das größere Interesse der Osteuropäer am Westen zu erklären?

Ich glaube, daß es die Attraktivität des anderen Gesellschaftssystems ist. Ein monolithisches System, wie es traditionell in Osteuropa bestand, mit einem niedrigen ökonomischen Lebensstandard, verführt seine Bewohner leicht dazu, über die Grenzen zu schauen, zu einem kapitalistischen Gesellschaftssystem, das einen höheren ökonomischen Standard und eine pluralistische Kultur hat. Während umgekehrt die Langeweile des öffentlichen Lebens und der niedrige touristische Standard Osteuropas viele Westler abschreckt.

Interview: Marc Fritzler