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Überflieger: Ost-West-Reiseverkehr / Laos / Frankfurter Flughafen / Liverpool

bundesrepublikanische Marktriese TUI und der offiziell erst vom ersten Januar 1989 an existierende „Interhotel DDR Travel Service“ wollen gemeinsam den massenhaften Tourismus in die DDR fördern. Zum ersten Mal standen in der DDR für den TUI-Ferienexpress die Signale auf Fahrt. In den devisenbringenden Fünf-Sterne-Hotels in Leipzig und Dresden wurde den Gästen das Urlaubsparadies DDR schmackhaft gemacht. Schließlich galt es den hohen Standard der touristischen Infrastruktur zu demonstrieren, damit das Plansoll von jährlich 16.000 Westgästen, wie vereinbart, erfüllt wird. Das Ost-Geschäft blüht, doch ob dieses einen Beitrag zur „Verständigung“ leistet, kann bezweifelt werden: Angesichts vollgestopfter Programme der Pauschaltouristen bleibt wenig Zeit für das Gespräch mit den DDR-Bürgern.

Als Allheilmittel gegen Verschuldung, Devisenmangel, Wirtschaftskrise, Arbeitslosigkeit scheint sich allgemein der Tourismus durchzusetzen. Selbst die abgeschlossene südostasiatische Republik Laos will sich nun Touristen ins Land holen, um der Wirtschaft neuen Schwung zu verschaffen. Tourismus ist für Laos, eines der ärmsten Länder der Welt, ein völlig neues Phänomen. Doch dem mit Moskau und Hanoi verbündeten Laos mangelt es an jeglicher industriellen Entwicklung. Thailändische, französische und japanische Touristikkonzerne haben bereits ihr Interesse an dem jungfräulichen Objekt touristischer Begierde angemeldet.

Wenn die grauen Nebel wallen und im Frankfurter Flughafen der sowieso kollapsgefährdete Flugverkehr gänzlich zusammenbricht, wallt auch das Blut so manchen Flugpassagiers. Höhere Gewalt nennen es die Fluggesellschaften und dafür gibt's keine Entschädigung. Weder die Tränen der älteren Frau, die in Frankfurt keinen kennt, noch die Drohung des Mitvierzigers in Zukunft mit Intercity-Zügen zu reisen, beeindrucken den Flugangestellten. Nur das ältere 1.-Klasse-Ehepaar immerhin 3.000 Mark nach Mallorca - schindet unter Schweigepflicht ein von der Fluggesellschaft bezahltes Hotelzimmer heraus. Der Rest muß sehen, wo er die Nacht verbringt. Am nächsten Tag das gleiche Chaos. Warten und Wartelisten. Keiner weiß Bescheid, am wenigsten die Angestellten der Gesellschaften. „Fliegen ist eben nicht mehr das was es wahr“, meint lakonisch die Counterdame beim wiederholten heftigen Ausbruch eines genervten Flugpassagiers. „Früher Klasse, heute Masse“.

Auch die heruntergekommene einstige Industriemetropole Liverpool setzt auf Tourismus. Nicht etwa nekrophile Nostalgiker bestaunen industriellen Verfall, Slums, Rassenkrawalle und Fußballrodwdys, vielmehr strömen kunstbeflissene Bürger zu den restaurierten viktorianischen Speicherhäusern der Docks. Ausstellungen, attraktive Geschäfte und Lokale garantieren ein gutbürgerliches Touristenziel.

ed

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