„Kewenig hat gelogen“

Die Berliner SPD nennt Roß und Reiter in der VS-Affäre  ■ D O K U M E N T A T I O N

Die SPD-Fraktion teilt mit:

1. Kewenig behauptet „mit besonderem Nachdruck“, es sei „falsch“, daß die taz mindestens eine Reihe von Jahren im ganzen überwacht worden ist.

Richtig ist: Die taz ist vom Verfassungsschutz als ein verfassungsfeindliche Ziele verfolgendes Organ eingeschätzt worden. Sie ist deshalb auch nach ihrem allmählichen Wandel bis Mitte der achtziger Jahre im ganzen überwacht worden. Dies wurde der SPD-Fraktion bekannt und ist in der Sitzung der PKK vom Landesamt am 19.10.88 bestätigt worden. Alle Teilnehmer dieser Sitzung (Abgeordnete, Senatsvertreter, Amtsvertreter, Protokollführer) würden dies vor dem Untersuchungsausschuß bestätigen müssen, ebenso die zuständigen Bearbeiter und ihre Vorgesetzten im Landesamt, die wir als Zeugen benennen werden.

2. Kewenig behauptet weiterhin: „Bis zum heutigen Tage hat das Landesamt für Verfassungsschutz zu keinem Zeitpunkt nachrichtendienstliche Mittel gegen die taz eingesetzt. Das heißt, in der Redaktion der taz haben niemals V-Leute des Landesamtes gearbeitet. Die Redaktion der Zeitung war zu keinem Zeitpunkt Objekt von „Lauschangriffen“ durch das Landesamt (z.B. durch Wanzen oder Richtmikrophone). Post und Telefon der Redaktion wurden vom Landesamt zu keiner Zeit überwacht, und die Redaktion wurde zu keiner Zeit observiert.“

Richtig ist: Die von Kewenig bewußt gewählten Einschränkungen sind überdeutlich. Kewenig äußert sich nicht zu den anderen Bereichen des Zeitungsbetriebes und beschränkt seine Auskunft auf direkt vom Landesamt für Verfassungsschutz eingesetzte nachrichtendienstliche Mittel. Die zuständigen Bearbeiter und ihre Vorgesetzten im Landesamt, die wir als Zeugen benennen werden, würden die tatsächlichen Überwachungsmethoden, -gegenstände und -erkenntnisse (einschließlich Kenntnisse über Telefongespräche, auch in der Redaktion) im Untersuchungsausschuß bestätigen müssen.

3. Kewenig behauptet: „Niemand ist allein deswegen von der Beobachtung des Verfassungsschutzes ausgenommen, weil er Journalist oder Politiker ist. Eine Person gerät immer dann in das Blickfeld des Verfassungsschutzes, wenn es konkrete Anhaltspunkte für ein Verhalten oder eine Tätigkeit gibt, die zu beobachten in den gesetzlichen Aufgabenbereich des Landesamtes gehört.“ Weiterhin behauptet Kewenig: „In das Blickfeld des Landesamtes für Verfassungsschutz gerät ein Journalist, ein Politiker oder ein Angehöriger jeder anderen Berufsgruppe nur dann, wenn er selbst durch sein Verhalten Gründe für eine solche Beobachtung setzt.“

Richtig ist: Der Verfassungsschutz darf nur Personen beobachten, die verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgen. Bei der Beobachtung der taz im ganzen, die bis Mitte der achtziger Jahre erfolgte, sind auf jeden Fall Journalisten beobachtet worden, die keine verfassungsfeindlichen Bestrebungen verfolgt haben. Dies gilt für die öffentlich genannten Journalisten Sontheimer, Legner, Küpper u.a., die bei der taz gearbeitet haben. Weiter sind auch andere öffentlich genannte Journalisten, die nicht bei der taz gearbeitet haben, wie Glaser u.a., vom Verfassungsschutz beobachtet worden, obwohl sie keine verfassungsfeindlichen Bestrebungen verfolgt haben. Anlässe waren hier etwa die Teilnahme an einer spontanen Solidaritätsdemonstration für Benedikt Härlin (allenfalls eine Ordnungswidrigkeit) oder an einer Sitzblockade.

Dies wurde der SPD-Fraktion bekannt und ist den Sitzungen der PKK am 30.9.88, 19.10.88 und 15.11.88 nach mehrfachem Hinhalten vom Landesamt unter Vorlage von Bergen von Journalistenakten bestätigt worden. Alle Teilnehmer dieser Sitzungen (Abgeordnete, Senatsvertreter, Amtsvertreter, Protokollführer) würden dies vor dem Untersuchungsausschuß bestätigen müssen, ebenso die zuständigen Bearbeiter und ihre Vorgesetzten im Landesamt, die wir als Zeugen benennen werden.

Wir stellen abschließend fest: Innensenator Kewenig hat vor der deutschen Öffentlichkeit gelogen. Er hat diese Lügen gestern vor dem Abgeordnetenhaus von Berlin wiederholt. In der nächsten Sitzung des Innenausschusses am kommenden Montag werden wir auch die weiteren Täuschungsmanöver in diesem Brief bloßlegen. Vor einem parlamentarischen Untersuchungsausschuß, vor dem Falschaussagen strafbar sind, würde das Lügengebäude des Innensenators wie ein Kartenhaus zusammenbrechen.