piwik no script img

Ist ein Bockschein Bockwurst?

■ Theoretiker und Praktiker diskutierten auf Einladung des Prostituiertenprojekts Hydra über die Frage: Bockschein für Freier? / Proteste gegen bayerische Zwangsmaßnahmen

Rund um den „Bockschein für Freier“ drehte sich am Freitag abend im Ernst-Reuter-Haus vor rund 250 ZuhörerInnen eine Podiumsdiskussion, die von Hydra, dem Treffpunkt für Prostituierte, im Rahmen ihres Kongresses „Prostitution und staatliche Maßnahmen“ organisiert worden war. Die Aids -Gefahr machen die Fragen nach einem „Gesundheitspaß für Freier“ und Kondompflicht wieder aktuell.

Einen Konsens fanden die PodiumsteilnehmerInnen lediglich in dem Punkt, daß Aids-Infizierungen verhindert werden müssen. Wie das geschehen soll, da gehen die Meinungen weit auseinander. Die besten Gegenparts lieferten Prof.Dr.Gallwas vom Münchener Institut für Politik und Öffentliches Recht und Gerrit Bloemen, Mitbegründer der holländischen Klep -Freiergruppe. Während Gallwas unter Zwischenrufen wie „in jedes Bett ein Bulle!“ für eine Bestrafung der Prostituierten, die ohne Kondom ihrer Arbeit nachgehen, ebenso eintrat, wie für einen Aids-Zwangstest, meinte Bloemen, daß die Aids-Verhinderung keine reine „Frauensache“ sei: „Nur mit einer kompletten Legalisierung der Prostitution und dem gemeinsamen Willen von Mann und Frau das Kondom zu benutzen, kann sich etwas ändern.“

Ein Bockschein wäre Bockmist. Die Heidelberger Diplompsychologin Sophienette Becker mißtraute der Doppelmoral der Männer: „Viele Männer bestehen theoretisch auf Kondompflicht, aber in der Praxis verzichten sie lieber darauf.“ Auch Manfred Bruns, Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof, hielt Zwangsmaßnahmen und Strafen für unangemessen: „Solange Prostituierte aus sozialen und finanziellen Gründen davon abhängig sind, ohne Kondom zu arbeiten, wird sich nichts verändern. Nur finanziell unabhängige Frauen können es sich leisten, auf dem Kondom zu bestehen.“

Wie es in der Praxis aussieht, beschrieb Heinrich Maiworm, der Besitzer eines Edel-Puffs: „In meinem Haus besteht keine Kondompflicht. Das müssen Prostituierte und Freier unter sich ausmachen. Das Kondom ist jedoch jederzeit präsent.“ Auch ein Gegeneinanderausspielen der Prostituierten, so Maiworm, sei bei ihm nicht möglich. „Wenn eine Prostituierte ohne Kondom ablehnt, muß der Freier sofort den Club verlassen.“

hosch

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen