: Polizei muß für Knüppelorgie zahlen
■ Polizei muß für Knüppeleinsatz 14.000 Mark Schmerzensgeld an Verletzten zahlen / Gäste eines türkischen Restaurants im Mai 1987 grundlos verprügelt
Vierzehntausend Mark erhält ein 29jähriger Mann jetzt als Ausgleich für Verletzungen, die er in der Nacht vom 17. Mai 1987 in Kreuzberg durch Polizeiknüppel erlitten hatte. Der Berliner Senat und der verletzte Mann schlossen auf Vorschlag der 13. Zivilkammer des Landgerichts einen entsprechenden Vergleich ab.
In jener Nacht gab es, wie so oft in den Mainächten des letzten Jahres, Auseinandersetzungen mit der Polizei in der Oranienstraße. Plötzlich und ohne ersichtlichen Grund stürmte ein halbes Dutzend Polizeibeamte der Einsatzbereitschaft 43 das Lokal „Beyti“ in der Adalbertstraße. Die verblüfften Gäste wurden von den Bänken und Stühlen gezogen und zum Ausgang geschleppt.
Zahlreiches Mobiliar ging zu Bruch. Draußen vor der Gaststätte bildeten die Polizisten eine Gasse, durch die sie die Anwesenden jagten. Die fünf Gäste, die vom Landgericht als Zeugen gehört wurden, sprachen von „Spießrutenlaufen“ und einer richtigen „Prügelorgie“. Die Beamten hätten wahllos auf die aus dem Lokal Getriebenen eingeschlagen. Die Geschlagenen erlitten blutige Kopf- und Körperverletzungen.
Der verletzte Mann hatte vor über einem Jahr Klage auf Zahlung von Schmerzensgeld eingereicht. Er war von Polizeiknüppeln am Kopf, an der Schulter und an anderen Körperteilen getroffen worden. Der Schock des Erlebten war so nachhaltig, daß er mehrere Monate nach der Mainacht in Kreuzberg krankgeschrieben war.
Von den sieben Polizeizeugen, die bei der umfangreichen Beweisaufnahme gehört wurden, konnte sich niemand daran erinnern, überhaupt einen Schlag gesehen zu haben. Einer hatte meistens in die andere Richtung gesehen, der andere nur flüchtig hingeschaut. Ein Dritter will sich auf die „Störer“ konzentriert haben. Für einen Einsatzleiter war der Fall klar: Wenn vom Schlagstock Gebrauch gemacht worden wäre, dann hätte er natürlich später auch einen entsprechenden Vordruck ausgefüllt.
Da er dies aber nicht getan hatte, sei auch kein Schlagstock in oder am Lokal eingesetzt worden. Im schriftlichen Bericht des Einsatzleiters hatte es dagegen aber noch geheißen, daß „gegen hartnäckigen Widerstand der Schlagstock eingesetzt wurde“. Da die Polizeizeugen aber auch nicht ausschließen konnten, daß geschlagen worden war, riet das Gericht dann zum Abschluß des Vergleichs.
Das Schmerzensgeld müsse in diesem Falle sehr viel höher ausfallen als bei einem Verkehrsunfall, befand der Richter. Schließlich habe es sich in diesem Fall um eine vorsätzliche Körperverletzung durch Polizisten gehandelt. In dieser Angelegenheit ermittelt die politische Staatsanwaltschaft jetzt von Amts wegen gegen die Polizisten.
taz
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen