: Jüdisches Leben in der DDR - Daten und Fakten
Mai 1945 - Als die Rote Armee Berlin befreit, leben noch etwa 7.000 Juden in der Stadt. Das jüdische Leben wird durch die gemeinsamen Bemühungen der Jüdischen Gemeinde, des „American Joint Distribution Committees“ (AJDC) und der Besatzungsmächte wieder hergestellt.
1947 - Mit dem Einsetzen des Kalten Krieges wird die jüdische Tätigkeit im Ostsektor trotz der strikt neutralen Haltung der Jüdischen Gemeinde zunehmend schwieriger. Erich Nelhans, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde, wird von den Sowjets verhaftet. Weil er sowjetische Deserteure begünstigt haben soll, wird er zu 15 Jahren Haft verurteilt und ist seitdem verschwunden.
1952 - Mit dem Slansky-Prozeß in der Tschechoslowakei und der angeblichen Aufdeckung einer „jüdischen Ärzteverschwörung“ in der Sowjetunion setzt auch in der DDR eine staatliche Kampagne gegen die Juden ein. Bei fast allen Juden gibt es Hausdurchsuchungen, die Personalpapiere werden beschlagnahmt. Außerdem werden Juden aus hohen Ämtern entfernt und die „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes“ (VVN) aufgelöst. In einem Rundschreiben der SED heißt es, der Zionismus und internationale jüdische Organisationen wie das AJDC seien „Werkzeuge des amerikanischen Imperialismus, die das Mitgefühl der arbeitenden Klassen für die jüdischen Opfer des Faschismus dazu ausnutzten, in den Volksdemokratien Spionage und Sabotage zu betreiben“. Nach weiteren antijüdischen Hetzartikeln in der Presse fordert die Jüdische Gemeinde in einem intern umstrittenen Aufruf die Juden auf, die DDR zu verlassen. Die jüdische Bibliothek, die sich in Ost-Berlin befand, wird in den Westteil der Stadt gebracht.
1953 - Nach dem Tode Stalins ändert sich die Politik der DDR gegenüber den Juden schlagartig. Die Juden werden rehabilitiert, die Gemeinden erhalten beträchtliche Zuwendungen für die Restaurierung von Synagogen und für das jüdische Altersheim, eine koschere Metzgerei und für die Instandhaltung der jüdischen Friedhöfe. Die Juden erhalten eine Sonderrente als Opfer des Naziregimes sowie eine Teilrente für körperliche Schäden als Folge des Hitler -Regimes.
1986 - Der Wiederaufbau der ehemaligen Synagoge in der Oranienburger Straße wird genehmigt und der Amerikaner Isaac Neuman als Rabbiner in die DDR berufen. Doch schon nach einem dreiviertel Jahr verläßt Neuman seinen Posten aus eigenem Willen. Während des Besuchs des Vorsitzenden des Jüdischen Weltkongresses, Bronfman, erklärt sich die DDR bereit, Wiedergutmachung zu zahlen. Von 3.000 Juden sind heute nur noch 400 Mitglied der Jüdischen Gemeinde. Um einen Untergang des Judentums in der DDR abzuwenden, hat sich die Ost-Berliner Gemeinde verstärkt den Nicht-Mitgliedern geöffnet. Spontan entsteht eine Gruppe von 150 bis 200 jüngeren Leuten, die sich wieder auf die jüdischen Traditionen besinnen.
(Informationen bis 1953 aus: Robin Ostow, Jüdisches Leben in der DDR, Frankfurt 1988.)
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