Doch eine Zukunft für Satz und Layout

Die „Desktop Publishing„-Euphorie ist abgeflaut / Ein Werkzeug gehört in sachkundige Hände, hat die Branche erkannt  ■  Von Marc Werner

„Revolution!“, rief die aufgeregte Computerbranche im Jahre 1987. „DTP“ hieß das Zauberwort, „Desktop Publishing“. Dahinter verbergen sich Computerprogramme, mit denen man auf einem normalen Personalcomputer nahezu professionelle Druckvorlagen erstellen kann, mit Grafiken und vielen verschiedenen Schriftarten und -größen. AutorInnen können ihre Produkte auf einem einzigen Gerät vom ersten Wort bis zum letzten Zierstrich selbst gestalten. Korrektoren, Setzer, Layouter und Grafik-Designer braucht man nicht mehr, jubelten die Fans. Eigentlich auch keine Drucker.

Arbeitsteilung

wiederentdeckt

Viele dieser autonomen DTP-TexterInnen ereilte seither die gefürchtete DTP-Krankheit: Fehlerhafte Texte werden in wirre Layouts gezwängt, und in einzelnen Sätzen wuseln Dutzende von Schriftarten durcheinander.

Die DTP-Revolution sei gescheitert, analysierte denn auch die ernüchterte DTP-Gemeinde letzte Woche im ICC. Seit diesem zweiten Berliner DTP-Kongreß steht fest: Setzer und Layouter wird es auch weiterhin geben müssen. Denn DTP -Programme sind eben doch keine Wunderwaffe, sondern ein Werkzeug. Und das gehört in sachkundige Hände.

Doch damit ist der DTP-Sturm auf die Büros keineswegs abgeblasen. Die DTP-Vorkämpfer haben eine neue Strategie und ein neues Schlagwort: „Corporate Publishing“. Dahinter steckt die Marketing-Idee von der „Corporate Identity“, daß nämlich - kurz gesagt - auf Papieren einer Institution das gleiche Signet an der gleichen Stelle sitzt. Bisher genügte ein einheitlicher Briefbogen.

Beim Corporate Publishing wird nun der Briefkopf Teil eines elektronischen Gestaltungsrahmens, dem die anfallenden Texte, am PC erfaßt und ins PC-Netzwerk eingespeist, automatisch angepaßt werden. Vorteil: Man kann Diagramme und andere Bildchen leicht in das Dokument einbinden, und das Endprodukt wird schöner, lesbarer und damit informativer. Wirksamer, sagen die DTP-Strategen, denn DTP sei egentlich Informationsmanagement.

Ergänzung statt Ersatz

Daß die Notiz „14:20 Müller 3 erbittet Rückruf“ nicht wieder wie eine Diplomurkunde oder ein Wahlplakat aussieht, darüber soll eine „Corporate Publishing Workgroup“ wachen, zusammengesetzt aus geschulten Fachleuten. Die Schreibkräfte brauchen sich nun doch nicht mit typographischen Finessen wie Laufweiten und Unterschneidungen zu belasten, sondern dürfen sich wieder ganz aufs Schreiben konzentrieren.

Die DTP-Programme stoßen derweil in die Leistungsklasse professioneller Satzsysteme vor. Die führenden Anbieter von professionellen Satzbelichtern haben ihrerseits den Trend erkannt und rüsten ihre Geräte so aus, daß sich auch DTP -Dokumente ausbelichten können.

Bei dieser Kombination von high-end-DTP und professioneller Belichtung kann von „Desktop“ freilich keine Rede mehr sein, denn solche Systeme gehen auf keinen „Desktop“ mehr, auf keine Tischplatte. In diesem Bereich spricht man nun vom „Professional Publishing“. Gleichzeitig kommen immer mehr kleinere, billige DTP-Programme auf den Markt. Oft können sie kaum mehr als eine moderne Textverarbeitungs-Software. Daß sich DTP nun weder nach oben noch nach unten scharf abgrenzen läßt, führt zu einer völlig neuen Sichtweise. Die Frage, ob DTP die Schreibmaschine oder den professionellen Satz ablöst, stellt sich nicht mehr. Heute gibt es hier Schreibmaschine und Fotokopierer für kleine Stückzahlen und unkomplizierte Produktion, dort Lichtsatz und Profi-Druck für große Auflagen. DTP-Satz und Laserdruck können den gesamten Bereich dazwischen abdecken, sowohl hinsichtlich der Qualität wie der Auflagenhöhe.

Die klassische DTP-Anwendung bleibt also die Speisekarte: Mit der Schreibmaschine zu schnöde, im Profi-Druck zu teuer, mit DTP gerade richtig. Wenn sich allerdings genug Institutionen mit dem hausbackenen Speisekarten-Layout begnügen, die bisher ihre Satz- und Druckaufträge an Profis vergaben, dann könnte „Döskopp-Publishing“ (ein Berliner Designer) doch noch zum Jobkiller werden. Und dann Gnade denen, die den Selfmade-Murks hinterher lesen müssen.

Computer sind dumm.

Machen Computer dumm?

Die Grafik-Design-Branche hat sich inzwischen eingehend mit DTP-Systemen beschäftigt und setzt sie selbst ein. Die Diskussion, ob diese Technik eine Bedrohung sei, verliert langsam an Dramatik, und das kreative Selbstbewußtsein tritt hervor. Die Aufgabe der DesignerInnen ist weniger die Produktion, sondern vielmehr die Idee. Und eine Idee hatte bislang noch kein DTP-System.

Einigen aus der Zunft ist der Computer seinerseits an den Geist gegangen. So etwa einer jungen Berliner Setzerin und DTP-Pionierin. Unsere Zeit sei arm an Abenteuern, sinniert sie, aber DTP sei noch eines.