: Fristverlängerung in Israel
Fünf Wochen nach den Wahlen in Israel gibt es noch keine neue Regierung, dafür jedoch eine Wiederauflage des alten Streits in der Führung der Arbeiterpartei zwischen Peres und Rabin ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin
Der vorgesehene Premierminister Schamir (Likud) hat es in 21tägigen Verhandlungen mit den religiösen Parteien nicht geschafft, eine Koalitionsregierung zu bilden. Dem Gesetz entsprechend hat er gestern Staatspräsident Herzog um eine Fristverlängerung für seinen Auftrag gebeten. Shamir versprach, innerhalb weniger Tage eine Regierung zu bilden und verfüge nun über ausreichende Unterstützung der religiösen Parteien. Gleichzeitig gehen bei der Arbeiterpartei, beim Likud-Block und auch bei den religiösen Parteien die Bestrebungen weiter, eine Koalition der „nationalen Einheit“ wiederherzustellen, die der Zusammensetzung der Regierung in den vergangenen vier Jahren entspräche.
Peres, Vorsitzender der Arbeiterpartei, sagte gestern, er sei bereit, sich wieder in eine breite Koalition mit Likud zu begeben, vorzugsweise jedoch für einen kürzeren Zeitraum als die üblichen vier Jahre und außerdem mit dem Hauptziel, das Wahlsystem zu verändern und kleinere Parteien dadurch auszuschalten.
Jitzhak Rabin, sein Kollege in der Führung der Arbeiterpartei, griff gestern die Peres-Anhänger in der Arbeiterpartei scharf an, weil sie „lieber mit Arafat redeten, als mit dem Likud zu verhandeln“. Insbesondere schoß er sich auf den Knesset-Abgeordneten Jossi Beilin ein, Peres‘ alten Assistenten und wichtgsten außenpolitischen Mitarbeiter. Beilin habe in der letzten Woche ein Abkommen zwischen der Arbeiterpartei und dem Likud zur Bildung einer breiten Koalitionsregierung unter Schamir torpediert. Verteidigungsminister Rabin nahm damit explizit seinen alten, von Rivalität geprägten Konflikt mit Peres wieder auf. Verteidigungsminister Rabin und seine Anhänger wollen unter allen Umständen eine breite Koalition der nationalen Einheit mit Likud und anderen Rechtsparteien, und zwar für den vollen Zeitraum von vier Jahren. Einer Oppositionsrolle der Arbeiterpartei stehen sie feindlich gegenüber. Peres und seine Anhänger hatten andere Pläne, die jedoch erfolglos blieben: Sie hofften auf Absprachen mit religiösen Fraktionen, wodurch Peres von Staatspräsident Herzog hätte aufgefordert werden können, eine Regierung mit knapper Mehrheit unter Führung der Arbeiterpartei zu bilden, unter Teilnahme einiger liberaler und gemäßigt rechter Parteien. Diese Möglichkeit lehnt Rabin entschieden ab. Beilin warf Rabin vor, er ziehe „eine breite rechte Koalition unter Likud einer schmalen unter der Arbeiterpartei mithilfe einiger, Tauben, vor“.
Inzwischen sieht es so aus, als könne sich Rabin durchsetzen. seine Haltung findet bei einer Mehrheit des Likud und der religiösen Parteien Zustimmung, und Peres ließ bereits erkennen, daß er nun für eine breite Koalition unter Likud-Führung eintreten werde.
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