Aufreizendes Rot, abgrundtiefes Grün

■ In der „Galerie Beim Steinernen Kreuz“ sind zur Zeit Bilder von Hartmut Neumann und Klaus Eberhardt zu sehen: Bilder, die sich ebenso unterscheiden wie ergänzen

Zwei Künstler stellen in der Galerie beim Steinernen Kreuz aus, deren Bilder sich ebenso zu unterscheiden wie zu ergänzen scheinen: Hartmut Neumann und Klaus Eberhardt: Ersterer ist mit dem diesjährigen Preis des Deutschen Künstlerbundes dekoriert und nicht erst seitdem Hoffnungsträger für den internationalen Markt, letzterer malt zwar schon lange, ist aber noch verhältnismäßig neu im Ausstellungsbetrieb. Beide stammen aus Delmenhorst, Jahrgang 1954, waren Jugendfreunde, zu deren Gruppe auch der Fotokünstler Harald Falkenhagen gehörte.

Im Erdgeschoß die schwarz-weißen Zeichnungen von Eberhardt. Er hat sich in den letzten Jahren von dem Fotorealismus gelöst, hat die Kohlekreide für sich entdeckt und die Aussagekraft von Licht und Schatten. Schematisierte Menschenfiguren stehen in einer Landschaft, in einem angedeuteten Innenraum, abgekapselt von außen. Die Blätter sind meist flächtig angelegt, in einigen zeigen sich Spontaneität und Virtuosität in der Linie. In ihrer traumverlorenen Versunkenheit scheinen die Blätter Eberhardts den Grundton der Bilder Neumanns anzustimmen.

Denn obwohl diese mit leuchtenden Farben den Blick attackieren und ein vielfältiges Formenarsenal aufschichten, sind sie doch vor allem von Distanz und Schweigen geprägt. Einem Schweigen allerdings, das durchdrungen ist vom Aufbegehren gegen das, was sie zeigen: Beziehungslosigkeit, kühles Nebeneinander, Unverbindlichkeit. Ein Phänomen, das sich in den Stilleben ebenso darstellt wie in den

Szenerien mit menschlichen Figuren. Zwar sagt der Künstler, er würde gerne auf diese Figuren verzichten, weil sie ihn doch an der totalen Hingabe, am „Schwelgen“ in der Farbe hindern. Die reine Malerei interessiere ihn, die Farbe, die Form. Tauche darin ein Mensch auf, lenke er nur ab. Aber noch ist es nicht soweit, noch hat die Menschengestalt ihren Platz: Sie erscheint einzeln und halb versteckt hinter Gerät oder architektonischen Versatzstücken. Sie lassen sich nicht fassen, sind Opfer unwirtlicher Stadtumgebung und geisterhafte Wesen in einer Atmosphäre aus melancholischer Ratlosigkeit und kühler Ferne.

Diese entrückte Stimmung wird noch unterstützt durch die surrealistischen Elemente, die Neumann seit einiger Zeit in seine Kompositionen einbaut, so wie er bis vor zwei Jahren ganz bewußt kubistisches Bildmaterial zitierte. Farbe und Form - wie Neumann sie ins Bild setzt, sucht zweifelsohne seinesgleichen auf dem derzeitigen Kunstmarkt. Weil er „Volumen“ mag, wirken seine Bilder wie in der Fläche verankerte Plastiken, die gemalten Gegenstände haben sich von der Zweidimensionalität scheinbar emanzipiert.

Das bedeutet eine Unterstützung der gewaltigen Leuchtkraft der Farben, die in Kontrasten zusätzlich noch mit Schwarz umrandet sind. Das Besondere aber an diesen aufgetragenen Tönen, an diesen aufreizenden Rots und abgrundtiefen Grüns: sie wirken merkwürdig gläsern und trotz aller kompakten Sinnlichkeit abweisend. Die Farben verlocken keineswegs zum bloßen „Darin

Schwelgen“ - sie sind Konfrontation und Herausforderung. Die Poesie aber, die trotzdem von ihnen ausströhmt, weist auf einen Kosmos, der sich der Deutung entzieht.

Beate Naß

bis 29.12, Mo-Fr 10-18.30, Sa 10-14 Uhr.