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Geldstrafe für Radio-Besetzer

■ 600 Mark oder 60 Tage Haft im ersten von 17 Prozessen / Richter glaubte Belastungszeugen / Entlastendes als „Falschaussagen“ eingestuft

Ein Urteil ohne Wenn und Aber: Halil K., ein junger türkischer Asylbewerber kurdischer Nationalität, habe sich der Freiheitsberaubung und Nötigung schuldig gemacht, entschied der Bremer Amtsrichter Peter Häfner gestern. Die 17 türkischen Oppositionellen, die am dritten Mai dieses Jahres in ein Studio von Radio Bremen eingedrungen waren, hätten „körperliche Gewalt“ angewendet, um durchzusetzen, daß über den Sender eine Protest erklärung gegen Polizeiterror in der Türkei verlesen wird. Sie hätten die Radio-Bremen-Mitarbeiter „zurückgerissen oder zurückgestoßen“, als sie aus dem Studio hinausgehen wollten. Halil K.'s Strafe: 600 Mark, ersatzweise 60 Tage Haft. Staatsanwalt Hans-Georg von Bock und Polach hatte 30 Tage mehr gefordert.

In den vorangegangenen Verhandlungstagen hatten die Zeugen die Vorgänge am Abend des dritten Mai in ganz verschiedenem Licht erscheinen lassen: So hatte der Intendant des Senders gesagt: „Die wollten etwas durchsetzen, nicht anders als viele Politiker, die auch nicht

warten, bis man sie fragt“. Andere Zeugen, am deutlichsten Nils von Haken, der „Abteilungsleiter regionale Hörfunkprogramme“, hatten die Aktion als gewalttätige Besetzung ausgemalt. Um die Glaubwürdigkeit von Hakens zu erschüttern, bot Halil K.'s Verteidiger Gerhard Baisch gestern zu Beginn der Verhandlung einen neuen Beweis an: Von Haken hatte am Volkstrauertag eine Gruppe von Pastoren durchs Funkhaus geführt und ihnen von der Studiobesetzung berichtet. Dabei hatte er ihnen vorgemacht, wie eine Mitarbeiterin von den Türken festgehalten worden sei. Von einem hinzukommenden Nachrichtensprecher mußte von Haken sich unwiedersprochen als „Lügner“ bezeichnen lassen, weil es eine solche Szene, auch nach Ansicht des Gerichts, nicht gegeben hat. Rechtsanwalt Baisch bot den Nachrichtensprecher als Zeugen an, um dem Gericht nahezulegen, die Aussagen des Zeugen von Haken „vorsichtiger zu bewerten“. Richter Häfner verzichtete, er unterstellte die Aussage des Nachrichtensprechers als wahr.

Gleichwohl stützte er sich in seiner Urteilsbegründung ausgiebig auf von Hakens Bericht. Die Angaben Fehmi Kayas, des Redakteurs der türkischsprachigen Regionalsendung „Biz Bize“, nannte er dagegen „Falschaussage“. Kaya hatte die Aktion „friedlich“ genannt.

Mit dem Tatvorwurf „Nötigung“ begann der Prozeß. Gestern wurde Halil K. auch wegen „Freiheitsberaubung“ verurteilt. Für „Freiheitsberaubung“ könne es keine politische oder moralische Rechtfertigung geben, sagte Richter Häfner gestern. Auch bei „Nötigung“ aus politischen Gründen sei Gewaltanwendung nicht zu billigen. Nur mit einem Satz ging Häfner auf die Beweggründe des Angeklagten ein: „Sie haben doch in der Türkei im Gefängnis gesessen. Da ist es mir unverständlich, daß sie sich an einer Freiheitsberaubung beteiligen“. Halil K. in seinem Schlußwort: „Ich wurde in der Türkei gefoltert, weil ich für die Demokratie eigetreten bin. Etwas anderes wollte ich bei Radio Bremen auch nicht“. Er will gegen das Urteil Berufung einlegen.

mw

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