Bauerntöffels Haute Cuisine

■ „Babettes Fest“ von Gabriel Axel nach Tania Blixen ist ein Film über die Erotik von edlen Weinen und Kaviar

Es ist schon ein wenig verdächtig, wenn zwei Jahre nach dem Erfolg von „Jenseits von Afrika“ die Verfilmung einer Novelle von Tania Blixen ins Kino kommt; und daß sie auch prompt mit dem Oskar für den besten ausländischen Film ausgezeichnet wird, scheint das Vorurteil, daß die Amerikaner allzugerne das sehen, was sie eh schon gesehen haben, voll zu bestätigen. Aber auch wenn Stephane Audran auf dem Filmplakat fast genauso in der Landschaft hockt wie damals Frau Streep und Herr Redford, ist „Babettes Fest“ alles andere als der europäische Nachzügler einer Edelschnulze aus Hollywood.

Geduld muß man aber schon mit in die bequemen Kinosessel bringen, denn im ersten Teil des Films wird ein wenig behäbig erzählt, von den zwei Töchtern eines pietistischen Predigers, die im öden Jüdland des 19. Jhdts. für die Armen des Dorfes sorgen. In Rückblenden und mit einem bedächtigen Erzähler im Off erscheinen die Verehrern in ihrer Jugend, ein schnittiger Offizier und ein Opernsänger, die sich beide an der puritanischen Erziehung der schönen Jungfrauen die Zähne ausbissen. Babette, eine Verwandte des französischen Tenors, die vor dem Terror der Niederschlagung der Pariser Commune nach Dänemark flieht, und von den Schwestern als Küchenhilfe aufgenommen wird, ist das einzig Besondere an den Schwestern, dem Dorf und bis hierhin auch am Film. Man wird ein wenig ungeduldig. Aber Kleinigkeiten machen schon neugierig: Stephane Audran bewegt sich als Babette wie eine Grand Dame durch den Schlamm zwischen den Häusern. Sie macht aus der ewigen Brotsuppe ein appetitliches Mal, und ihre ärmliche Kutte hat einen elegant raffinierten Faltenwurf, für den immerhin Karl Lagerfeld verantwortlich ist.

Etwa zur Hälfte des Films und nach 14 Jahren im öden Jüdland gewinnt Babette 10000 Franc in einer Pariser Lotterie, und zur Gedenkfeier des Predigers will sie ein französisches Diner berei

ten. Sie bestellt in Paris eine ganze Bootsladung voll mit edlen Weinen, Kaviar, Gemüse, Früchten, lebendigen Wachteln und einer Riesenschildkröte; den puritanischen Dörflern wird Angst und Bang ob dieser beunruhigend fremden Dinge. Von Alpträumen geplagt schwören sie, dem sündigen Festmal zu widerstehen. Für den Rest des Filmes wird die Verführung dieser Kulturbanausen durch gutes Essen gezeigt; die meisterliche Arbeit der Köchin Babette und die allseitige Harmonie, die nach einem wirklich guten Mal ausbrechen kann. So wie am großen Esstisch und in der Küche die Stimmung steigt, wird es auch für den Zuschauer immer wärmer und vergnüglicher. Mit erotischer Sinnlichkeit läßt Gabriel Axel die Kamera in den Gerichten schwelgen, mit zärtlicher Komik wird gezeigt, wie die Puritaner langsam auftauen, und das Genießen erst lernen müßen.

Natürlich läuft einem das Wasser im Munde zusammen bei diesen Köstlichkeiten. In Berlin hatte auch gleich ein kluger Mann die Idee, Babettes Festessen nach dem Kinobesuch in seinem Feinschmeckerlokal zu servieren. Da stehen dann die Hauptdarsteller auf dem Menue, die im Vor-und Abspann fehlen: Wachteln en Sarcophage, Baba au Rhum oder Blinis Demidoff. Bon Appetit!

Wilfried Hippen

Gondel 18.00 und 20.30 Uhr