: „Friedlich und ohne Provokation“
■ Gottesdienste in Ost-Berlin zum Tag der Menschenrechte / Teilnehmer fordern staatliche Friedensfähigkeit gegenüber Andersdenkenden / Friedens- und Umweltgruppen wollen Menschenrechtsverletzungen dokumentieren und veröffentlichen
Auf einem Gottesdienst in der überfüllten Bekenntniskirche in Ost-Berlin sind die staatlichen Stellen um Toleranz gegenüber Andersdenkenden und um „Friedensfähigkeit nach innen“ gebeten worden. Auf der Veranstaltung am Samstag abend, die mehrere Gemeindemitglieder als „thematischen Gottesdienst“ gestalteten, wurde die Erklärung der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen der DDR zum Tag der Menschenrechte verlesen.
Darin heißt es, daß die „Basisrechte aller Menschen“ wie das Recht auf Leben, auf persönliche Würde, auf religiöse Freiheit sowie das Recht, anderer Meinung zu sein, „unantastbar sind“. An der Verwirklichung der Menschenrechte wirkten die Christen und die Kirche, „geleitet vom Evangelium, mit“. Diese Erklärung der Kirchenleitungen und die Menschenrechte waren auch am Sonntag wichtiges Thema in Gottesdiensten in der DDR.
Vor Beginn des Abendgottesdienstes in der Bekenntniskirche hatte ein Mitglied des Gemeindekirchenrats den Wunsch geäußert, daß die Veranstaltung „friedlich und ohne Provokationen“ verlaufe. Der Gottesdienst, der unter dem Thema „Gerechtigkeit erhöht ein Volk“ stand und sich auch für die Realisierung von Rechten wie Meinungsfreiheit, Reisefreiheit und freie Wahl des Wohnsitzes einsetzte, verlief ohne Zwischenfälle. Informierte Kreise in West -Berlin und Gruppen im Umfeld der Ost-Berliner Kirche hatten zuvor darauf hingewiesen, daß sich die Vorbereitungen der thematischen Gottesdienste der Bekenntniskirche im Bezirk Treptow oft schwierig gestalteten. Danach gab es mehrfach Besuche von Beschäftigten der Staatssicherheit bei Gemeindemitgliedern und Christen, die diese Veranstaltung vorbereiteten. Außerdem sei es auch zu Festnahmen gekommen. Behörden gehen offenbar davon aus, daß diese Kirchenveranstaltungen auch ein Treffpunkt für Ausreisewillige sind.
Mehrere Friedens- und Umweltgruppen in der DDR haben in einem Papier angekündigt, „mit der Sammlung und Veröffentlichung konkreter Verletzungen der Menschenrechte in der DDR zu beginnen“. In einem Blatt, für das sich Gruppen aus Ost-Berlin, Leipzig und Naumburg verantwortlich erklären, heißt es, „die Information der Öffentlichkeit über Menschenrechtsverletzungen“ sei unerläßlich.
Die DDR-Regierung sieht dagegen die Menschenrechte in ihrem Land garantiert. In der am Samstag in DDR-Zeitungen veröffentlichten Stellungnahme heißt es auch, man erachte es als notwendig, „die Menschenrechtsfragen zu einem Feld des Dialogs und der Kooperation zu entwickeln“. Dabei wird das Recht auf ein Leben in Frieden als eines der grundliegenden Rechte unterstrichen. Die DDR habe eine Gesellschaft errichtet, in der „die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen beseitigt ist“, wird betont.
dpa
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen