: Weltweite Hilfsaktionen für Armenien
■ Sowjetunion akzeptiert erstmals breite internationale Hilfe für die Erdbebenopfer / Weiter Hoffnung auf Überlebende unter den Trümmern
Berlin (taz) - Alle Kräfte sollen mobilisiert werden, um den Überlebenden der schwersten Erdbebenkatastrophe in Armenien zu helfen, erklärte der inzwischen nach Moskau zurückgekehrte Partei- und Staatschef Michail Gorbatschow am Samstag abend in Eriwan. Pausenlos starten und landen Flugzeuge mit Versorgungsgütern auf dem beschädigten Flughafen der armenischen Hauptstadt. 500 Ärzte aus der ganzen Sowjetunion sind inzwischen in der Katastrophenregion eingetroffen, 200 Medizinbrigaden wurden in die entlegenen ländlichen Gebiete der Republik entsandt. Abweichend vom bisherigen Verhalten der sowjetischen Behörden wird nun auch ausländische Hilfe akzeptiert. Etwa 40 Länder, darunter die BRD und die DDR, die Schweiz, Israel und die USA, entsandten Ärzteteams, Medikamente, Zelte und Decken sowie schweres Räumgerät in die Region.
Immer noch hoffen die Bergungstrupps, unter den Trümmern der zerstörten Häuser Überlebende zu finden. Noch am Freitag konnten 1.500 Menschen aus den Trümmern gerettet werden. Mitglieder von Bergungsmannschaften berichteten am Samstag, aus den Geröllbergen drängen immer noch Hilferufe. Nach den Vermißten wird mit Suchhunden und empfindlichen Ortungsgeräten gesucht. Doch fehlt es vielerorts an schwerem Gerät zur Bergung der Opfer. Auch die Unterbrechung der Verkehrswege und der Stromversorgung sowie die Kälte behindern die Arbeiten. Bautrupps versuchen fieberhaft, Straßen und Bahngeleise wieder instandzusetzen.
Immer noch weiß niemand genau, wieviele Tote wirklich zu beklagen sind. Nach letzten amtlichen Schätzungen sollen 40.000 bis 45.000 Menschen bei dem Beben umgekommen und 12.000 verletzt worden sein. Ganze Ortschaften und Stadtteile sind dem Erdboden gleichgemacht, in der früher 18.000 Einwohner zählenden Stadt Spitak stehen nur noch fünf Häuser, in der zweitgrößten Stadt Armeniens, Leninakan sind 80 Prozent der Häuser zerstört. Von den acht Schulen Leninakans existiert nur noch eine. „Am Institut für Informatik gab es 250 Studenten, nur fünf haben überlebt“, berichtete eine Augenzeugin. Rund eine halbe Million Menschen sollen obdachlos geworden sein. Die meisten Krankenhäuser in der Region sind selbst zerstört worden, die noch funktionsfähigen Hospitäler sind hoffnungslos überbelegt. Im Chirurgischen Institut von Eriwan gibt es die einzige Dialyse-Station der Republik Armenien, in der allerdings nur zwei künstliche Nieren arbeiten. Vier von fünf der dort eingelieferten Patienten haben Quetschungen erlitten, die zu Blutvergiftungen führen, die der Organismus selbst nicht mehr bereinigen kann. Deshalb bitten die behandelnden Ärzte vor allem um Dialysegeräte. Inzwischen können einige der Verletzten aus der Region ausgeflogen werden.
Die Bundesregierung hat am Wochenende eine Luftbrücke nach Armenien eingerichtet. Das Rote Kreuz der Sowjetunion bat das bundesdeutsche Rote Kreuz inzwischen auch, nicht mehr nur mit Sachspenden, sondern auch mit Sachspenden, sondern auch mit Geld zu helfen. Bisher sind in Deutschland 2,5 Millionen Mark für die Katastrophenhilfe bereitgestellt worden. Von drei deutschen Flughäfen starteten Maschinen mit Hilfsgütern, Rettungsmannschaften und Suchhunden nach Eriwan. Am Samstag nachmittag holten zwei Antonow-Flugzeuge, die größten Lufttransporter der Welt, Räumbagger und Mobillader für die Rettungs- und Aufräumarbeiten aus Stuttgart ab, die ein Baumaschinenhersteller zur Verfügung gestellt hatte.
Der Strom armenischer Flüchtlinge aus Aserbeidjan hält trotz der katastrophalen Zustande nach dem Erdbeben an.
er
(DRK-Soforthilfe Kto. bei allen Banken, Sparkassen und Postgiroamt Köln: 41 41 41 - Erdbebenhilfe Kaukasus, Arbeiter-Samariterbund Kto. Nr. 1888 bei genannten Geldinstituten.)
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