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Die Gute, der Bösartige und der Häßliche

Dumpfe Effekte und Rambo-Mief dominieren die Tournee von Amerikas Profi-Catchern und Catcherinnen / „Wenig Gymnastik, viel unter der Gürtellinie“  ■  Von Christoph Busch

Erster Kampf:

Doctor David, 100 kg, 1,80 m, Spezialität: Neck Breaker gegen

Bamm Brandy, 108 kg, 1,91 m, Spezialität: Flying Body Press

Ein Scheinwerfer beleuchtet die Treppe. Zuerst steigt der Doctor herab. Shakehands mit einigen Zuschauern in der ersten Reihe. Runde um den Ring, der in der Saalmitte aufgebaut ist, und dann rauf auf die Bühne. Dröhnender American Pop von Kassette liefert den Klatschmarsch. Bob Yorey am Richtertisch marktschreiert seine Anpreisungen darüber. Amerikanischer Singsang, kaum verständlich, soll nur als Stimmung rüberkommen. Der Doctor, weißlich dick im schwarzen, ausgeleierten Schulturndress liefert ohne Musik mit einigen Posen und Sprüchen seine Charakterskizze: Dumm -kräftig und unschön. Dann Klatschmarsch für den laut Prospekt „bestgehaßten Gegner“ des Doctors, Bamm Brandy. Dessen Werbung „From Chippendale to Wrestler“ verleitet zu der Annahme, er sei vorher Antiquitätenhändler gewesen. Aber nein. Er will Striptänzer gewesen sein und tut immer noch so. Er gurrt wie eine Taube, während er seinen Po in der engen, rotbrokatenen Torerohose balzend kreisen läßt. Das hält der häßliche Doctor - Typ: New Yorker Bauarbeiter bei einer Pro-Rechts-Demo - nicht aus. „He is gay“, schreit er, und „asshole“, verweigert seinem schönen Gegner die Shakehands und hält sich seine Hand schützend vor den Hintern. Verläßt sogar den Ring, weil er gegen so einen nicht kämpfen will. Mit rhythmischem Klatschen und einladenden Gesten im Wechsel mit Hüftschwüngen holt Brandy die Zuschauer auf seine Seite und den Doctor schließlich in den Kampf. Dann geht es fix. Der Ring-Doc verliert.

Weshalb? Welche Regeln gelten beim Wrestling? Bob Yorey faßt sie zusammen: „Verloren hat, wer bis drei mit beiden Schultern auf der Matte gehalten wird.“ Die Verbote wie: nicht an den Haaren ziehen, nicht zwei aus einer Mannschaft gleichzeitig im Ring, nicht außerhalb des Rings kämpfen, nicht würgen und so fort, sind nur dazu da, übertreten zu werden. Einfache Mittel, den Bösewicht zu markieren. Der fängt damit an. Dann darf die gute Seite, die eigentlich nur einen schönen fairen Kampf wollte, auch irgendwann loslegen. Eine Disqualifikation - zweiter Grund für eine Niederlage ist deshalb selten und nur zu „befürchten“, wenn sie im Szenario vorgesehen ist.

Näheres legen, wenn überhaupt, die einzelnen Catch-Verbände fest. Die Kämpfer der Deutschland-Tournee waren zum Beispiel an die „International Wrestling Alliance“ gebunden. Diese Verbände sind aber nicht auf „Olympischen Geist“ und entsprechendes sportliches Regelwerk erpicht, sondern auf Eintritts-, Fernseh- und andere Gelder, sowie entsprechende Vermarktungs- und Verpackungsregeln. Bob: „Vor Jahren ist Wrestling in den USA sehr populär gewesen, dann eine Talsohle, und jetzt ist es wieder ein Milliarden-Dollar -Geschäft.“ Der Durchschnittskämpfer verdiene zwischen vierzig- und fünfzigtausend Dollar im Jahr. Bei den „bigger guys“, Hulk Coogan zum Beispiel, gehe das dann in die Millionen. Er selber sei aber nicht Millionär, sondern mittlere Wrestlerpreisklasse.

Auf dieser Tournee, der zweiten mit amerikanischen Wrestlern in Deutschland überhaupt, ist Bob offizieller Boß auf der amerikanischen Seite. Mit dem Gesicht des friendly -neigbourhood-Änderungsschneiders sitzt er jeden Abend als Conferencier am Tisch vor dem Ring. Neben ihm ein „Unparteiischer“, der die selbstgebaute Glocke schlägt und die abgeworfenen Kleidungsstücke der KämpferInnen einsammelt. Zweiter Kampf:

Gino Carabello, 100 kg, 1,78 m, Spezialiät: Back Breaker gegen

Cheetah Kid, 100 kg, 1,80 m, Spezialität: Death Leap

Gino Teuerschön ist ein formloser Fetter in schlappem Slip. Als erster allein im Ring lädt er das Publikum ein, ihn zu feiern. Seine albernen, affigen Posen bewirken das erwünschte Gegenteil. Gino ist eine Parodie auf Torero-Bamm aus dem ersten Kampf. Cheetah Kid, mit Tigerfellmaske und Tigerfellgamaschen, ist noch nicht im Ring, da greift Gino ihn schon an. Kein Benimm sowas. Doch trotzdem ist das Glück - im Gegensatz zum Publikum - dem Gino erstmal hold. Er zieht Tigerfell die Seile durch den Schritt, beißt dem Kid in die Finger und küßt nach jeder erfolgreichen Sauerei selbstverliebt die eigenen Muskeln: „Me wunderbar.“ Dann wieder mit Kopfstoß dem Kid ins Geschlecht. Aber wenn der Gute erstmal genug eingesteckt hat, darf er selbst das Schwein rauslassen. Außerhalb des Rings stehend, zerrt Kid den liegenden Gino an den Beinen. Der hat den eisernen Eckpfahl dazwischen. Der Schiri sagt: Aufhören. Aber das Publikum will mehr. Kid läuft zur Höchstform auf: Saltos vorwärts und rückwärts, von den Brettern und aus dem Seilstand. Gino wird - freiwillig - zum Untermann für Kids akrobatische Nummern. Sieg des Weltmeisters, der nochmal außerhalb des Rings hinterrücks attackiert wird. Die Zuschauer machen Platz: „Wenn dir so einer auf den Schoß fällt!„

Ted ist der heimliche Chef der 25köpfigen Reisetruppe. Seine Entscheidungen werden nicht diskutiert. Ted hat auch selbst Aktien im Geschäft. Ihm gehört zum Beispiel der Ring, den er jeden Abend zusammen mit den anderen aufbaut: Vier schwere blaue Pfähle, die unsichtbar unter den Brettern mit Drahtseilen gegen die wüsten Sprünge gesichert sind. Auf die Bretter selbst kommt erstmal eine dicke, weiße Plastikmatte, darauf eine Lage blauer Turnmatten der Sorte „Rolle -Rückwärts“, wie sie auch außen um den Ring liegen. Das Polster fängt die Stürze ab, aber nicht den Bretterdonner. Als ginge es schonungslos aufs Holz und die Bandscheiben. Und Ted hat seinen Body im Geschäft: Denn unter der Tigerfell-Haßkappe des Cheetah Kid steckt niemand anders als er.

Der Programmverkäufer sagt hinter vorgehaltener Hand, es gebe je nach Verband, 200 Weltmeister und Weltmeisterinnen. Misty Blue ist eine davon. Sie war die erste weibliche Schülerin des bekannten, 60jährigen „bad guy“ Killer Kowalsky. Bei dem hat sie eineinhalb Jahre trainiert und seitdem 240 siegreiche Kämpfe hinter sich gebracht. Macht 85.000 Dollar allein im letzten Jahr. „Männer machen eine Menge mehr Geld, und ich als Worldchampion eine Menge mehr als die durchschnittlichen Ringerinnen.“ Früher hat sie als Sekretärin gejobbt. Heute hat sie eine eigene Baufirma.

Gegen Männer tritt sie nicht an. Die könne sie nicht schlagen. Und bei den „gemischten Doppeln“ wären die Frauen nur Dekoration am Ringrand. Da mache sie nicht mit. Ihr eigenes Trainig bei einem Mann habe sie allerdings anderen Frauen überlegen gemacht. Sie habe jetzt weniger Angst vor Verletzungen und den Killerinstinkt, der vielen Frauen abgehe. „Natürlich“ stünden die Frauen auf dem Programmzettel hintenan. Das sei schon immer so gewesen und sie werde das nicht ändern. Wrestling habe nichts mit „Women's Lib“ zu tun. Die Mehrheit ihrer Fans sei allerdings weiblich, im Saal und in der Post.

Die geheimnisvolle Blue ist jetzt 27. Hat keine Kinder und ist nicht verheiratet. „Noch nicht“, wie sie betont. Ihre sagenhafte Kollegin Moolah ist 60 und immer noch bestens in Form. Aber Moolah ist auch die Ausnahme von der Regel und hat dadurch ihren Marktwert. Misty will nicht im Ring alt werden, will aufhören, wenn sie anfängt zu verlieren, sich auf den Brettern nicht mehr gut fühlt. Dritter Kampf:

Linda Dallas, 55 kg, 1,60 m, Spezialität: Leg Drop, und Kat Leroux, 62 kg, 1,65, Spezialität: Boston Crab gegen

Misty Blue, 55 kg, 1,60, Spezialität: Splash off the Rope, und Olympia, 63 kg, 1,68 m, Spezialität: Head Lock.

Linda Dallas im Tiger-Body ist die kleinste und frechste. „Shut up!“ ist ihr Kriegsruf. Misty, die Gute, legt zu Beginn des Kampfes ihren breiten, ledernen und mit Wappen beschlagenen Weltmeisterin-Gürtel ab. Sie trägt ein Kostüm in den amerikanischen Farben. Das böse Paar hält sich wieder mal nicht an die Regel: nur eine im Ring. Ansonsten ist diesmal alles eine Spur dicker aufgetragen: Sowohl die von Frauenschlammschlachten in einschlägigen Amüsierbetrieben übernommenen Zutaten, als auch die bei den Männern abgekupferten Attacken auf primäre und sekundäre Geschlechtsmerkmale.

Gleich vorne rechts an der Ecke, direkt an der Shakehands -Route, sitzt ein älteres Paar. Er, im gemütlich-karierten Pullover, ist pensionierter Fuhrparkleiter. Hat Catchen ganz früher mal live gesehen, jetzt neuerdings im Kabelfernsehen. Will mal gucken, wie das wirklich ist, und das Publikum beobachten. Das sagen die meisten: Das erste Mal beim Catchen. Wenn über 30: das erste Mal seit Jahren. Alle haben neuerdings Kabel-Catch-Erfahrung gemacht. Offizielles Motiv für den Live-Besuch: die anderen Zuschauer innen begucken.

Aber die sind gar nicht so exotisch, wie man das aus Filmen rund um den Boxsport kennt, in denen sich die wahren Wilden und Bösewichte am und nicht im Ring aufhalten und wo die Frauen schmachten. Die Halle mit ihren knapp 300 Besuchern wirkt wie der kollektive Fernsehraum einer Neubausiedlung. Jeden Moment müssen die Salzstangen kommen.

Und im Ring geht es auch nicht ab. Schon bei der dritten der sieben bis zwanzig Minuten langen Klamotten stellt sich Langeweile ein. „Da sind ja die deutschen Schachmeisterschaften spannender.“ Den Eintritt - 30 bis 40 Mark - findet das Publikum deshalb durch die Bank zu hoch.

Kommt hinzu der penetrante Rambo-Mief, der im Saale hängt, und das extra-lächerliche - weil keine so vertraute Albernheit wie bei den Männern - Frauengerangel. Sich das „mal anzugucken“, sind zwei Frauen in die Stadthalle gekommen. Offene Neugier. Aber jetzt enttäuscht: zu wenig Gymnastik, zuviel unter der Gürtellinie.

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