: „Die PSOE neigt zum Liberalismus“
Antonio Santesmases, Sprecher von „Izquierda Socialista“, dem linken Flügel der Sozialistischen Partei Spaniens, äußert sich zum Generalstreik und der Rolle der sozialistischen Regierung unter Felipe Gonzalez ■ I N T E R V I E W
taz: Izquierda Socialista unterstützt den Streik und stellt sich damit gegen die Regierung. Warum?
Santesmases: Izquierda Socialista stellt sich nicht gegen die Regierung als solche. Sie kritisiert die Wirtschaftspolitik der Regierung und meint, daß die verändert werden muß.
Wie kommt es, daß sich die Vorstellungen der PSOE so stark von denen der sozialistischen Gewerkschaft UGT entfernt haben?
Die Politik der PSOE, seit sie an der Regierung ist, unterscheidet sich nur wenig von der Politik rechter Parteien. Als die PSOE noch in der Opposition war, vertrat sie sozialdemokratische Positionen, während sie jetzt in der Wirtschaftspolitik eher dem Liberalismus zuneigt.
Und woher erklärt sich dieser Wandel der PSOE?
Ich glaube, das sind die Mechanismen, die einsetzen, wenn eine Partei an die Regierung kommt. Sie unterliegt dann ganz unterschiedlichen Einflüssen, das mögen Mitglieder der Regierungen anderer Länder sein, mit denen sie zusammenarbeitet, oder innenpolitisch kann das der Einfluß der Banker und der Geschäftsleute sein.
Was, glauben Sie, werden die Konsequenzen aus dem Streik sein?
Das kommt ein bißchen darauf an, ob der Streik erfolgreich verläuft oder nicht. Es wird nötig sein, mit den Gewerkschaften zu verhandeln. Das ist die vernünftige Handlungsweise, glaube ich. Die andere Möglichkeit bestände darin, 1989 oder 1990 ohne die Unterstützung der Gewerkschaften oder sogar gegen die Gewerkschaften Neuwahlen abzuhalten. Das wäre eine Art Revanche für die Niederlage, die sie auf der Straße haben einstecken müssen. Ich glaube, ein solches Modernisierungsprojekt ohne oder gegen die Gewerkschaften ist von der traditionellen europäischen sozialdemokratischen Politik weit entfernt.
Glauben Sie nicht, daß sich die Gewerkschaft UGT nach diesem Konflikt von der Partei entfernen und sich stärker rein gewerkschaftlich orientieren wird?
Das ist, glaube ich, unvermeidlich.
Wie wird sich die Regierung verhalten nach diesem Streik?
Ich hoffe, daß sich die Wirtschaftspolitik verändert. Ob die Regierung dazu fähig ist - das ist schon komplizierter. Aber ich halte eine Veränderung nicht für unmöglich.
Interview: Antje Vogel
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