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W. Shakespeare, unsynchronisiert

■ „The Winter's Tale“ von William Shakespeare wurde an zwei Abenden im Modernes von der Compass Theatre Company in Englisch aufgeführt: Für unseren Kritiker war die Aufführung das reinste Vergnügen

This review should be in english, aber das will ich mir und den Lesern lieber ersparen; also here we go: Herr Schüttelspeer hat es in Bremen immerhin zu einer eigenen Company gebracht, die auch selber das „Wintermärchen“ spielt, außerdem hat auch das beamtete Theater in diesem Jahr einiges vom Barden im Programm; müssen wir uns da auch noch Ausländer in die Stadt holen, die nicht einmal auf deutsch spielen?

Beim Film fällt es noch am ehesten auf, vielleicht weil dort oft sehr rüde mit der Sprache umgegangen wird, aber auch in der Li

teratur und auf der Bühne gilt, daß bei Übersetzungen immer viel verloren geht. Auch den besten deutschen Aufführungen von Shakespeares Dramen fehlt da etwas ganz entscheidendes: der wirkliche Klang der Dichtung. Und so war dies eine ganz seltene Gelegenheit, eine Shakesspeare Aufführung im „Originalton“ zu hören. Das erforderte schon einige Anstrengung, auch wer mit dem heute gesprochenen oder geschriebenen Englisch gut zurecht kommt, hat mit diesem hochartifiziellen Sprachstil seine Schwierigkeiten, wer das Stück noch

nicht gesehen, oder zumindest den Text vorher gelesen hatte, konnte schnell den Faden verlieren, und zum Glück sprachen die Schauspieler alles andere als eine verlangsamte easy listening Fassung. Aber die Arbeit zahlte sich aus, alleine schon für den schönen Ton der Aufführung muß man den sechs Schauspielern der Compass Theatre Company dafür danken, daß sie mit ihrem kleinen Lieferwagen eine Winterreise durch Deutschland machen.

Und wenn es um ihren Barden geht, verstehen die Engländer keinen Spaß. Die Theaterkritiker

sind nirgends so penibel, unbarmherzig und böse, wie bei den Verrissen von Shakespeare-Inszenierungen. So will es schon einiges bedeuten, wenn die Aufführungen der „Compass Theatre Company“ daheim eine durchgängig gute Presse haben, im Guardian wurde sogar enthusiastisch gelobt, sie „gibt dem Theater den lange vermißten Zauber zurück“.

Dafür wurde erst einmal reduziert: die sechs Schauspieler stehen auf einer leeren, mit Stoff verhangenen Bühne, jeder spielt zumindest zwei Rollen; es gibt nur wenige Requisiten. Der Thron ist eine mit Wolldecken verhüllte Kiste, wenn im Text „er entflieht, von einem Bären verfolgt“ steht, verschlingen auf der Bühne einfach die selben Wolldecken das arme Opfer. Die Schauspieler, die gerade nicht agieren, sitzen am Rand der Bühne und sehen zu. Auch die Kostüme die Könige im Anzug, Wintermäntel im warmen Sizilien versuchen erst garnicht, Illusionen zu erzeugen. Einmal wechselt Nick Chadwin auf der Bühne aus der Rolle des Spitzbuben Autolycus in die des Königs von Sizilien Leontes: Melone, Koffer und Weste verschwinden, ein etwas besseres Jacket, der Körper richtet sich auf und Melancholie ersetzt die heuchlerische Leutseligkeit. Das genaue und originelle Einsetzen der wenigen Mittel zusammen mit der ungebremsten Spielfreude der Schauspieler sind das Hauptkapital der Company.

Shakespeares Romanze hat zwei sehr unterschiedliche Teile:

in den ersten drei Aufzügen herrscht die düstere, unheilvolle Stimmung der Tragödien; der König von Sizilien Leontes wird von unbegründeter Eifersucht gegen die Gemalin und seinen Jugendfreund, den König von Böhmen, befallen und stürzt sich und alle ins Unglück, zuletzt ist seine gesammte Familie, alle Getreuen und Freunde tot, verschollen oder vertrieben. Im vierten und fünften Aufzug aber herrscht die „happy end“ Stimmung der Komödien vor. Die Verschollenen werden gefunden, Vertriebene zurückgeholt und Totgeglaubte leben wieder. Diesem Wechsel entspricht auch die Inszenierung: nicht nur die Schauspieler interpretieren im ersten Teil streng, mit tragischen, großen Gesten, manchmal gefährlich nah am overacting. Es wird nie richtig hell und die Musik vom Tonband besteht fast nur aus dunklen Synthesizersounds.

Nach der Pause ist dann auch die Inszenierung wie verwandelt: Helles Licht und beschwingte Musik, jetzt auch von der Gitarre, und die Schauspieler erlauben sich in den komischen Rollen Freiheiten mit der Vorlage, hier explodiert geradezu ihre Spiellaune. Der Bauerfänger, der alte Schäffer und Mary Bullen als bäuerlicher Narr sind in kurzen Szenen einfach nur komisch, und da rutschen ihnen dann sogar ein paar deutsche Worte wie „Es war mir ein Vergnügen“ aus dem Mund. Uns auch, Ladies and Gentlemen, uns auch.

Wilfried Hippen

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