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Jo Leinens neuester Streich

■ Heftige Proteste nach der Verleihung des Naturschutzpreises 88 an die Vereinigten Saar-Elektrizitätswerke / „Absoluter Tiefpunkt der saarländischen Umweltpolitik“ / Schleiereulen und 30 Vogelkästen versus Atomstrom

Berlin (taz) - Der saarländische Umweltminister Jo Leinen hat erneut ein Ding gedreht. Der erklärte AKW-Gegner und frühere BBU-Chef hat die Vereinigten Saar-Elektrizitätswerke (VSE) mit einem Umweltpreis ausgezeichnet. Grüne und Naturschutzverbände fassen sich an den Kopf. Leinen schweigt stille.

Vergangene Woche herrschte in der Sitzung des saarländischen Landesbeirates für Naturschutz erhebliche Aufregung. Die Empörungswogen schlugen hoch, und Karl-Heinz Winkler vom Landesvorstand des Bundes Umwelt- und Naturschutz wetterte, daß ihm noch fünf Tage später die Stimme fehlte. Grund für die Attacken war die Verleihung des saarländischen Naturschutzpreises 1988 an die VSE. Winkler vor dem Landesbeirat: „Das ist der absolute Tiefpunkt der Umweltpolitik dieser Landesregierung und der absolute Tiefpunkt des Jo Leinen.“ Winkler stieß mit seiner harten Kritik in der Runde auf Zustimmung. „Da war keiner“, erinnert sich der Landesvorsitzende des Bundes für Vogelschutz, Eckehard Gerke, „der diese Auszeichnung verteidigt hätte“ - ob Jägervereinigung oder Landwirtschaftskammer, Waldbesitzer oder Handwerkskammer.

Auch die Grünen hatten zuvor die Preisverleihung als „skandalös“ und „politisch instinktlos“ gegeißelt. Eine bessere Imagewerbung für die Atomkraft habe Leinen nicht leisten können, erklärte die Saarbrücker Bundestagsabgeordnete Erika Trenz. Die Grünen verweisen auf ihre Dokumentation, in der das Sündenregister der prämierten VSE dargelegt wird. Dickster Hund: An der VSE sind ausgerechnet die französischen Atomiker vom staatlichen Energiekonzern EDF beteiligt. EDF ist unter anderem Betreiber der Atomzentrale in Cattenom, gegen die wiederum Leinen seit Jahren vor Gericht zieht. Auch der größte deutsche Atomstromer RWE, nicht erst seit Biblis Branchenführer der Skandalchronik, hält bei VSE mit 41,3 Prozent das größte Anteilspaket. Seit langem liegen die VSE zudem mit den Stadtwerken Saarbrücken im Clinch. Deren Versuch, unter dem Beifall der Ökologen die Energieversorgung zu kommunalisieren, wird von der VSE stur abgeblockt. Der Bund Naturschutz erinnert außerdem daran, daß sich die VSE vehement gegen die Großfeuerungsanlagenverordnung gewehrt hätten. Winkler: „Eine üble Diskussion.“

Daß die VSE „Atomstrom verkaufen und die saarländische Kohle zunehmend verdrängen“ (die Grünen) komplettiert ihren Ruf. Die RWE sind größter Zulieferer der VSE. Etwa vier Terawatt bezog der saarländische Energieversorger letztes Jahr vom RWE, ein Drittel davon war Atomstrom.

Der Referatsleiter für Artenschutz in Leinens Ministerium, Wörner, räumt ein, daß bei den VSE „nicht immer alles in unserem Sinne“ gelaufen sei und daß der Energieversorger „manchmal auch umweltschädigend wirkt“. Dennoch verteidigt Wörner die Preisverleihung. Im Bereich Naturschutz hätten die VSE viel geleistet. Wörner nennt sechs konkrete Beispiele. VSE habe

-Hochspannungsleitungen freiwillig isoliert,

-zehn Hektar Land gekauft und als Naturschutzgebiet zur Verfügung gestellt,

-12.000 Mark für eine Greifvogel-Station gespendet,

-beim Kraftwerk Ensdorf 30 Vogelkästen angebracht und betreut,

-ein Trafohaus zum Wohnheim für Schleiereulen umgestaltet und

-verschiedene Anpflanzungen durchgeführt.

Für die Naturschutzverbände sind dies Peanuts, teils Selbstverständlichkeit, teils kleine Geschenke, die der Imageverbesserung dienen, aber nichts von Substanz. „Kleinfutter“ diagnostiziert DBV-Chef Gerke, und Karl-Heinz Winkler weist darauf hin, daß diejenigen, die für Luftverschmutzung und saure Niederschläge mitverantwortlich sind, ihr Gewissen durch solch kleines Entgegenkommen entlasten. Trotz aller Rechtfertigungsversuche bleibe dies „eine einzige Katastrophe“ (Winkler).

Die Kritik der Umweltverbände betrifft auch das Verfahren, mit dem der Naturschutzpreis vergeben wird. „Obskur“ nennt es Vogelschützer Gerke. Ohne Jury, ohne Wahl, ohne Kriterien sei hier willkürlich entschieden worden.

Beteiligt an der Verleihung war aber noch ein anderer. Werner Martin, Duzfreund und Kegelbruder von VSE -Kraftwerkdirektor Günter Mörgen, schlug die VSE als Preisträger vor. Martin war früher Landesvorsitzender beim Bund für Vogelschutz. Aus dieser Zeit hat er noch Briefköpfe des DBV in seinem Schreibtisch liegen, mit denen er seinen Antrag schmückte. Dem DBV ist dies inzwischen mehr als peinlich. In einer förmlichen Distanzierung stellte der amtierende Vorsitzende Gerke klar, daß der DBV mit der Sache nichts zu tun habe. Für Gerke ist klar, daß man ei nem Elektrizitätsversorgungsunternehmen keinen Umweltpreis verleihen kann. Das müßte gerade Jo Leinen wissen. Denn in Brokdorf, so Gerke, standen diese „auf der anderen Seite der Barrikade“.

Manfred Kriener

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