: Flucht aus Armenien Wettlauf mit der Zeit
■ Evakuierung und Wiederaufbau im armenischen Erdbebengebiet / Seit Februar mehr als 140.000 Flüchtlinge
Moskau (dpa/ap) - Der Generalsekretär des Internationalen Roten Kreuzes, Stenbach, forderte am Montag in Genf für die Zukunft eine bessere Koordinierung der Hilfsmaßnahmen. Einige medizinische Spenden würden an die Absender zurückgesandt. So seien statt der benötigten 20 Dialysegeräte insgesamt 75 eingetroffen. Auch dürfe die Hilfe aus der Sowjetunion selbst nicht unterschätzt werden. Von 27.000 Eisenbahnwaggons mit Hilfsgütern hätten erst 9.000 entladen werden können. Transportmittel und winterfeste Zelte sowie Wohncontainer würden weiterhin benötigt.
Die Evakuierung der über 500.000 Obdachlosen entwickelt sich zu einem Wettlauf mit dem Winter. Der stellvertretende sowjetische Ministerpräsident Batalin sprach am Montag abend von bisher etwa 70.000 evakuierten Menschen. Am Montag wurden 4.500 Mütter mit ihren Kindern und deren Lehrern in das Kinderferiendorf Anapa auf der Krim gebracht. Der Regierungszeitung 'Iswestija‘ zufolge soll jeder Erdbebengeschädigte auf Staatskosten in eine Stadt seiner Wahl in der Sowjetunion geflogen werden. Unter den Evakuierten in allen Teilen des Landes soll täglich ein Informationsbulletin mit Namen verteilt werden, so daß durch die Katastrophe getrennte Familien und Freunde wieder zueinanderfinden können.
Nicht nur die Naturkatastrophe, auch eine weitere Zuspitzung der nationalen Gegensätze im Kaukasus hat zu neuen Flüchtlingsströmen geführt. Nach Angaben eines Sprechers der armenischen Nachrichtenagentur haben seit Februar mehr als 140.000 Armenier ihre Heimat in der Nachbarrepublik Aserbaidschan verlassen. Auch die Zahl der aserbaidschanischen Flüchtlinge aus Armenien hat sich erhöht. Jeden Tag kommen Flüchtlinge in Moskau an. Die Parteizeitung 'Prawda‘ berichtete am Montag, jeden Tag wendeten sich einige hundert Personen an die armenische Vertretung in Moskau mit der Bitte um Hilfe. Das aserbaidschanische Innenministerium habe ein Büro in der Vertretung eingerichtet. Die Flüchtlinge sollen dort zur Rückkehr in die Heimat aufgefordert werden.
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