: Chile nach Pinochet: Zentralbank auf altem Kurs
Oberste Geldbehörde soll autonom werden / Vollendete Tatsachen für die neue Regierung ■ Von Gaby Weber
Es hört sich alles ganz harmlos an. Durch ein neues Gesetz soll die chilenische Zentralbank ein „autonomes Unternehmen“ werden, das „die Definition und Anwendung der Geldpolitik, ihrer Größenordnung, Ausgaben und die Kreditsgestaltung“ regeln soll. Die Freizügigkeit des Finanzwesens wird Verfassungsrang erhalten: „Der Wechselkurs wird von Angebot und Nachfrage bestimmt.“ Die Zinssätze werden nur bei kurzfristigen Spareinlagen festgeschrieben. Eingeschränkt wird die Möglichkeit, bereits abgeschlossene Vereinbarungen zu verändern oder nicht einzuhalten - das kann die Auslandsschuld, aber auch ausländische Investitionen betreffen. Und in bestimmten Fällen wird die Zentralbank sogar ermächtigt, „mit in- und ausländischen Investoren oder Gläubigern direkt die Modalitäten zu vereinbaren, unter denen Kapital, Zinsen und Gewinne benutzt, ins Ausland transferiert oder dem Investor zurückerstattet werden.“ Künftig soll der Zentralbank verboten werden, Kredite an die öffentliche Hand zu vergeben. Einzige Ausnahme sind Kriegszeiten, allerdings nicht Naturkatastrophen oder Hungersnöte.
Der fünfköpfige Zentralbank-Rat wird von Pinochet für zehn Jahre ernannt. Er ist niemandem rechenschaftspflichtig, auch nicht der Bankenaufsicht. Die Erlasse der Zentralbank werden für den öffentlichen Sektor bindend sein. Die kommenden Finanzminister müssen lediglich „informiert“ werden, sie haben im Leitungsgremium zwar Rede-, aber kein Stimmrecht. Ihr Veto kann eine Entscheidung maximal für 14 Tage aussetzen. „Die Automonie wird für den Fall wichtig“, so hatte Julio Dittborn, wirtschaftspolitischer Sprecher der regimenahen UDI begründet, „daß ein Minister nichts von Wirtschaft versteht oder man Geldpolitik für politische Ziele einsetzt“.
Die Zeit drängt: Nach der Niederlage im Plebiszit führt an Wahlen im Dezember 1989 kein Weg mehr vorbei. Bis dahin soll die verbleibende Zeit genutzt werden, um den Handlungsspielraum einer künftigen demokratischen Regierung einzuschränken. „Wenn die Zentralbank allein und autonom über Geldmenge, Wechselkurs und Zinspolitik bestimmen kann“, kritisierte der sozialistische Politiker Armando Arancibia, „wird der künftige Präsident aller grundlegenden Befugnisse beraubt, das Land zu regieren.“
Das neue Zentralbank-Gesetz aus der Feder von Finanzminister Hernan Büchi wird wahrscheinlich noch im Sommermonat Januar unter Dach und Fach gebracht werden. Mit der gleichen Geschwindigkeit werden auch in anderen Wirtschaftszweigen vollendete Tatsachen geschaffen. Privatisiert wird nicht nur im Bergbau, wo Gold-, Silber-, Erdöl-, Gas-, Kupfer- und Lithium-Vorkommen an ausländische Konsortien verscherbelt werden. Mitte Dezember wurde die Privatisierung der U-Bahn von Santiago besiegelt. Für das kommende Jahr steht der Verkauf der Eisenbahn, der Versicherungen, der Fluglinie LAN-Chile bis hin zur Trinkwasserversorgung bevor.
Ein neues Fischfanggesetz schmort zur Verabschiedung bei der Junta; in ihm werden Fangquoten und Lizenzen festgeschrieben, die gratis an Unternehmer verteilt werden. Damit wird - so kritisieren die Kleinfischer - „das Meer privatisiert“. Schließlich wird auch das Fernsehen, daß die Militärs 15 Jahre lang fest unter Kontrolle hatten, ausländischen Investoren angeboten. Und nicht zuletzt wartet eine Amnestie zugunsten des Militärregimes auf ihre sichere Inkraftsetzung.
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