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„Die Ausbildungsordnung muß weg“

■ Zuviel Theorie und keine Praxis: 1.500 Erzieher-SchülerInnen reicht's jetzt

„Die Ausbildung hier ist das reinste Jodeldiplom geworden!“ Der Schüler, der mit diesem Satz die gesamte Erzieherausbildung auf einen Nenner bringt, ist trotzdem gut gelaunt. Kein Wunder, denn im Gebäude der Pestalozzi-Fröbel -Schule tobt das Leben. Hier, wo normalerweise die zukünftigen KiTa-MitarbeiterInnen auf die quirlige Kinderwelt vorbereitet werden, wird gestreikt. Seit einer Woche dienen die tristen Schulräume als Diskussionsforen, wo über alternative Erziehungsmethoden, Umweltbewußtsein bei Kindern oder Jugendprobleme geredet wird. Die SchülerInnen, die zum Teil selber gerade erst die Volljährigkeitsgrenze überschritten haben, wollen eines erreichen: „Die neue Ausbildungsordnung muß weg.“

Seit letztem Sommer müssen alle ErzieherschülerInnen ohne Abitur erst einmal die Berufsfachschule für Sozialwesen hinter sich gebracht haben, bevor sie in der Erzieherschule richtig loslegen können. „Was diese zwei Jahre Berufsfachschule eigentlich bezwecken sollen, wissen nicht mal wir“, kommentiert ein Lehrer der Pestalozzi-Fröbel -Schule die neue Ausbildungsstruktur. Vier Jahre, inklusive Anerkennungspraktikum, mußten die angehenden ErzieherInnen bisher hinter sich gebracht haben. Mit der neuen Verordnung sind es jetzt sogar fünf Jahre, die die SchülerInnen auf der Schulbank verbringen müssen. „Die Praxis geht da völlig flöten, und hinterher beschweren sich dann die Eltern in der KiTa, daß wir keine Ahnung von Erziehung hätten“, empört sich eine Schülerin. Schüler und Lehrer sind sich einig: so geht es nicht weiter!

Der Streik der StudentInnen sei gerade richtig gekommen, meinen beide Seiten. Der Ansporn für den eigenen Protest war gegeben. Zusammen mit zwei weiteren ErzieherInnenschulen, dem Oberlin-Seminar und dem Friedrich-Fröbel-Haus, traten die rund 1.500 ErzieherschülerInnen in den unbefristeten Streik. „Nach den Weihnachtsferien sollen unsere Aktionen auf jeden Fall weiterlaufen, und dann muß Hanna Laurien endlich mal Stellung nehmen“, so eine Schülerin, „dafür sorgen wir schon.“

Farbe bekennen sollte die Schulsenatorin eigentlich schon auf der Fete gestern abend in der Pestalozzi-Fröbel-Schule. Einige SchülerInnen hatten die Senatorin für Jugend, Schule und Sport, Laurien, nachmittags vor einem Kinderheim in Wedding abgefangen und ihr Auto umstellt. So am Weiterfahren gehindert, hatte sie den Erzieherinnen versprochen, noch am gleichen Abend zu ihnen in die Karl-Schrader-Straße zu kommen. Dort wolle sie sich dann die Forderungen der Schüler Innen anhören, hieß es von der Schulsenatorin. Wie sollte es anders sein - sie kam natürlich nicht. Enttäuscht über die mangelnde Gesprächsbereitschaft der Politikerin äußerte sich ein Schüler der Pestalozzi-Fröbel-Schule: „Die sitzt doch garantiert schon unterm Weihnachtsbaum und hört die Engel singen, anstatt uns zuzuhören.“

Christine Berger

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