Löwenzahn und Seidenpfote

■ Drei neue „Traumstunden“ von Janosch

Janosch wäre kein guter Kinderbuchautor, wenn er nicht auch seine schärfsten Kritiker umstimmen könnte. Jede Redakteurin der Fernsehseite, jeder freischaffende Medienjournalist war nach Köln gekommen, sie alle lauerten nun darauf, Janosch bei drei neuen „Traumstunden„-Folgen einmal mehr der unverzeihlichen, weil antiquierten und patriarchalischen Rollenzuweisung seiner Figuren zu überführen.

Die ersten Minuten über die Mäusegeschwister „Löwenzahn“ und „Seidenpfote“ verheißen wenig Gutes. In einer gemütlichen Kaffeekanne, die jemand achtlos am Wegrand ins Gras geworfen hat, leben die Maus und der Mauser. Sie könnten glücklich sein, doch dazu fehlt ihnen etwas: ein Mausekind.

Die Maus wünscht sich, natürlich, eine fleißige Tochter, die ihr beim Nähen hilft; der Mauser hofft, was auch sonst, auf einen kräftigen Sohn, der ihm beim Fällen der Margeritenstengel zur Hand gehen könnte. Und dann sollen sie auch noch Löwenzahn und Seidenpfote heißen und vom Charakter ebenso beschaffen sein; er stark wie ein Löwe und sie zart und lieblich wie eine Zuckermaus.

Die Rollenverteilung scheint eindeutig, also Janosch raus, Fernseher aus, damit Ärger mit den janoschliebenden Kindern riskierend, nur um das zweifelhafte Janosch-Weltbild ohne pädagogischen Wert vom Nachwuchs fernzuhalten? Zum Glück kommt alles ganz anders, nämlich genau umgekehrt. Seidenpfote will alles, nur nicht zartfühlend unterwürfig sein, und Löwenzahn hat die Hosen schon voll, wenn er nur daran denkt, wie er von der doppelten Mäuseschleuder - dem Lieblingsspielzeug seiner mutigen Schwester - in den Himmel katapultiert werden könnte.

Aufatmen, endlich die Gleichberechtigung der Geschlechter auch bei Janosch. Der Nachmittag ist gerettet, und wenn die lieben Kleinen dann anschließend sagen, sie wollten ebenfalls so ganz und gar nicht den Vorstellungen ihrer Eltern entsprechen - das hat dann die liebe Elternschar davon, wenn sie von Janosch verlangt, aus den Rollenklischees auszubrechen.

Mit der neuen Staffel von dreizehn Folgen haben die Kölner Trickfilmanimateure einmal mehr die Langsamkeit entdeckt. Während in anderen Serien die Helden von Felsbrocken erschlagen und von Kugeln durchsiebt werden und das Ganze mit einem Höllenlärm über den Bildschirm zieht, kracht und heult, verläßt sich der WDR ganz auf die europäische Kinderbuchtradition, kontrakariert die Zack-Bumm-Splash -Bildsprache der amerikanischen und japanischen Konkurrenz mit subtiler Vertonung und bildschönen Details, darauf hoffend, daß die bald zu 26 Folgen angewachsene Serie nun auch international Anerkennung finden wird.

Dreimal räuspert sich der Waldbär in der Weihnachtszeit und übernimmt die Ansagen zunächst zur Folge „Löwenzahn und Seidenpfote“ am 25.Dezember (16.30 Uhr). Am zweiten Weihnachtstag (17.10 Uhr) foppt dann der unternehmungslustige Schlingel Kaspar Mütze den Riesen Wirrwarr, und ein Herr Schmidt gibt sich als Rabe zu erkennen, am Silvesternachmittag (16.50 Uhr) hopst der Frosch gleich durch drei Bildgeschichten, und für die eingeschworene Janosch-Filmgemeinde wiederholt die ARD am 1.Januar (16.10 Uhr) die Geschichte vom Maulwurf und den Janosch-Klassiker vom Kleinen Bär und dem Tiger, die sich beide aufmachen, einen Schatz zu finden.

Christof Boy