piwik no script img

Atom-Shopping in deutschen Landen

Die Geschäfte pakistanischer Bombenbauer mit bundesdeutschen Firmen haben Tradition / Schon der „Vater der islamischen Bombe“ wurde in der Bundesrepublik ausgebildet / Auch Miguel und Hempel lieferten frei Haus  ■  Von Thomas Scheuer

Basel (taz) - Auf den internationalen Konferenzen der „nuclear community“, wie sich die Atomgemeinde selbst liebevoll nennt, machen Korrespondenten immer wieder die Erfahrung, daß sich just der Kontakt mit den Atomikern Indiens und Pakistans erfreulich unkompliziert gestaltet: Viele von ihnen sprechen fließend deutsch. Der Grund: Sie haben ihre Studien und Praktika oft an deutschen Instituten und Atomzentren absolviert. Auch die direkte Lieferung von Nukleartechnik durch deutsche Firmen hat Tradition. Die Experten mögen sich noch streiten, ob Pakistan nun schon Bombenmacht ist oder kurz davor steht: Wesentliche Komponenten sind jedenfalls „Made in Germany.“ Auch die Karriere jenes Abdul Qadeer Khan, in Pakistan heute als der „Vater der islamischen Bombe“ gefeiert, begann in den 60er Jahren in der BRD, wo er Metallurgie studierte. Anschließend arbeitete er in der Urananreicherungsanlage URENCO im holländischen Almelo, einem deutsch-britisch -niederländischen Konsortium. Dort verduftete der Pakistani eines Tages bei Nacht und Nebel - mitsamt den Blaupausen für die zur Anreicherung von Uran notwendigen Zentrifugen.

Die beiden Anreicherungsanlagen in Kahuta und Sihala, seit etwa 1984 in Betrieb und Herzstücke des pakistanischen Atomprogrammes, basieren auf Kopien der in Almelo damals neu entwickelten Ultrazentrifugen. Nach Erkenntnissen des CIA gelang es den Ingenieuren in Kahuta im Herbst 1986, Natururan auf 93,5 Prozent anzureichern - als „waffentauglich“ gilt Uran ab einem Anreicherungsgrad von 90 Prozent. (Für die Nutzung in zivilen AKWs ist eine Anreicherung auf 2,5 bis 3 Prozent ausreichend!) Khan und seine Kumpane, die als Gastwissenschaftler oder „Praktikanten“ (auch auf den Gehaltslisten des belgischen Skandalzentrums CEN in Mol wurden jahrelang ausgebildete Ingenieure als „Praktikanten“ geführt) ausländische Atomanlagen ausschnüffeln, bringen nicht nur Know how und Konstruktionspläne mit nach Hause, sondern auch die begehrten Lieferanten-Listen. So war Mister Khan beispielsweise aus seinen Tagen bei URENCO der westdeutsche Industriekonzern Leybold-Heraeus als wichtiger Zulieferer bekannt. Über Jahre weg scheint Leybold-Heraeus denn auch den Pakistanis wichtige Komponenten für deren Anreicherungsanlage in Kahuta geliefert zu haben. Vor knapp zwei Jahren flog der schmutzige Deal auf: Im Zollfreilager Basel beschlagnahmten der Zoll Komponenten, die eine eidgenössische Firma im Auftrag von Leybold-Heraeus nach Pakistan verfrachten wollte. Während in der Schweiz drei Manager rechtskräftig verurteilt sind, dümpelt ein Ermittlungsverfahren der Kölner Staatsanwaltschaft gegen Leybold-Heraeus bislang mit offenem Ende vor sich hin.

Verurteilt hingegen wurde im März 1985 der Freiburger Ingenieur Albrecht Migule. Dessen Firma CES Kalthof hatte von 1977 bis 1980 ganze LKW-Karawanen von Freiburg in Richtung Mittlerer Osten in Marsch gesetzt - vom Schräubchen bis zum hochkomplizierten Laborgerät lieferte der südbadische Kleinunternehmer in 62 Fuhren Pakistans Atomikern wichtige Teile für ihre 1980 dann in Betrieb gegangene Uranaufarbeitungsfabrik in Dera Ghazi Khan. Zusammengekauft hatte Migule das Zeug aufgrund pakistanischer Wunschzettel bei rund 120 anderen Firmen von Mannesmann die Röhren, von Siemens die Kabel. Für die Zusammenstellung der einlaufenden Sendungen hatte der deutsche Zoll dem Schwarzwälder Technomakler eigens eine Lagerhalle reserviert - kontrollieren mochten deutsche Beamte das Geschäft erst aufgrund US-amerikanischer Geheimdiensttips. Da war das Material längst weg.

Auch die Düsseldorfer Firmengruppe Alfred Hempel GmbH, deren weltweite Schwarzmarktgeschäfte mittlerweile den Bonner Untersuchungsausschuß beschäftigten, findet sich auf der langen Liste bundesdeutscher Zuträger für Asiens Bombenbauer: Die Firma belieferte seit Mitte der 70er Jahre über Tarnfirmen in der Schweiz Indien und Pakistan mit verschiedenen nuklearen Komponenten, vor allem Schwerem Wasser. Gemäß einer Notiz des Bundesnachrichtendienstes (BND) boten Hempels der pakistanischen Atomenergiekommission noch Ende 1986 Borkarbid an. (Der Stoff kann im Reaktorbau als Absorbermaterial eingesetzt werden.) Müßig ist der Streit, ob durch solche Deals der Atomwaffensperrvertrag formal verletzt wird; seinem politischen Ziel, die Weiterverbreitung von Atomwaffen zu unterbinden, widersprechen sie auf jeden Fall. Die von deutschen Firmen gelieferten Komponenten sind als „sensitive Güter“ in den sogenannten „Trigger-lists“ der Londoner Richtlinien aufgeführt, einem Zusatzabkommen zum Sperrvertrag, wonach diese Güter nur in Länder exportiert werden dürfen, in denen ihr Einsatz internationaler Kontrolle durch IAEA-Safeguards untersteht. Neben Israel und Südafrika entwickelten vor allem Indien und Pakistan ihre Beschaffungstechniken auf dem Schwarzmarkt zu wahrer Meisterschaft, seit Indien 1974 mit seiner „friedlichen Kernexplosion“ den Startschuß zu einem erbitterten atomaren Wettlauf zwischen den beiden verfeindeten Staaten abgegeben hatte. Indem sie ihrem Bombenprojekt das Siegel der islamischen Sache aufdrückten, gelang es den Pakistanis, bei verschiedenen arabischen Regierungen, vorneweg Libyen, Petro-Dollars für ihr ehrgeiziges Atomprogramm locker zu machen. Im Mai bestätigte das US-Verteidigungsministerium, Pakistan habe erstmals eine Mittelstreckenrakete getestet, die auch atomare Sprengköpfe tragen könne.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen