: Ein Cup in Kinderschuhen
Schmelzendes Eis und torhungrige Spartakisten beim „Deutschland-Cup“ im Eishockey ■ Aus Stuttgart Theo Breiding
„Deutschland-Cup - Internationale Anerkennung!“ Unter diesem Slogan, der einen erfahrenen Berlin-Transitreisenden an „Plaste und Elaste aus Schkopau“ oder „Reisen nach Polen, immer empfohlen“ erinnert, firmierte vom 27.-30.Dezember ein Eishockeyturnier für Nationalmannschaften in der Stuttgarter Hanns-Martin-Schleyer-Halle.
Er steckt noch in den Kinderschuhen, der Deutschland-Cup. Im Vorjahr mit drei Mannschaften ins Leben gerufen, waren es diesmal bereits vier: die Schweiz und Polen, stark ersatzgeschwächt, die auf drei Positionen verstärkte Mannschaft von Spartak Moskau als „Team UdSSR“ und die Auswahl des Deutschen Eishockey-Bundes.
Darf man Bundestrainer Xaver Unsinn glauben, ist er zehn Jahre mit der Idee für ein solches Turnier hausieren gegangen, bevor er endlich in Stuttgart auf offene Ohren traf. Nach seinem Willen, und auch dem der Stuttgarter Messe GmbH, soll aus dem Cup mal ein ganz großer werden: Vorspiele in mehreren Städten, die gesamte Weltelite am Start, Halbfinalspiele und ein grandioses Finale in der Schwabenmetropole - sofern das Eis hält!
Beim Debüt 1987 war es den Polen und Tschechoslowaken im Schlußdrittel unter den Kufen weggeschmolzen, in diesem Jahr mußten die Veranstalter wegen noch ärgerer Probleme den zweiten Spieltag total umfriemeln. Die Partie Polen Schweiz wurde, Blaulicht vorneweg, ins erheblich kältere Degerloch ausgelagert, und die Bundesdeutschen konnten erst versuchen, Spartak Moskau Paroli zu bieten, als die Ersatzeismaschine aus Hannover angerollt war.
Nach dem beeindruckenden 5:1-Sieg seiner Männer gegen Polen versammelte Xaver Unsinn den harten Kern der Berichterstatter noch weit über den offiziellen Teil der Pressekonferenz hinaus um sich und kam ins Plaudern. Froh ist er, daß er jetzt, wie der Kaiser Franz, eine Olympia -Auswahl hat, in der die Aspiranten erst einmal die rauhe Luft auf dem internationalen Parkett schnuppern können, bevor sie zu ihm in den A-Kader kommen - wie zum Beispiel Harald Birk, der sich in seinem ersten Länderspiel nicht nur nahtlos einfügte, sondern auch gleich einen Treffer beisteuerte.
Das 5:1 gegen ein Team, das bei der WM im April in Schweden ebenfalls in der A-Gruppe spielen wird, war hochverdient. „Es hätten auch ein paar Tore mehr sein können“, befand der Bundestrainer, fügte aber gleich hinzu: „Wir haben halt mit vier Blöcken gespielt und nicht mit drei wie international üblich - wir sind halt zum Probieren hier.“
Die vier Blöcke wurden auch mit Rücksicht auf die Bundesliga-Clubs durchrotiert, die natürlich daran interessiert sind, daß sich ihre Stars vor dem Endspurt der Rückrunde nicht übermäßig auspowern. Aus dem gleichen Grund steht der Termin des Cups in Frage. Außerdem muß die Stuttgarter Veranstaltung derzeit mit seit Jahrzehnten etablierten Turnieren wie dem Iswestija-Cup in Moskau (16. -21.Dezember) und dem Spengler-Cup in Davos (26. -31.Dezember) konkurrieren. Über eine Verlegung in die Zeit zwischen Ende der Meisterschaft und Beginn der jeweiligen WM wird hörbar nachgedacht.
Nach dem mühevollen 2:1 des Teams UdSSR gegen die Schweiz am Eröffnungstag traute man den Schützlingen von Xaver Unsinn gegen die „falschen Russen“ ('Bild‘) einiges zu. Der Chef selbst hingegen wurde nicht müde zu warnen: „Die Russen spielen nach wie vor das beste Eishockey der Welt, und bei einem Trainer wie dem Boris Majarow an der Bande, da müßt ihr Journalisten sowieso erstmal den Hut ziehen.“
Er hatte recht! Die Vereinsmannschaft aus Moskau glänzte auf allen Positionen, erstickte die bundesdeutschen Spielansätze im Keim, und als Kapitän Udo Kießling in der 35. Minute mit einer Knieverletzung ausschied, waren bereits alle Hüte gezogen. Am Ende hieß es 2:5.
Respekt vor den noch zweitklassigen Schweizern, mit denen man im letzten Spiel stritt, legte Unsinn ebenfalls allen ans Herz. Zwar wäre es richtig, daß einige ihrer Besten beim Spengler-Cup aktiv seien, aber: „Die haben die WM 1990 bei sich zu Haus; die Spieler, die hier sind, kämpfen alle um einen Platz.“ Knapp 39 Minuten schienen die Worte des Coaches bei seinen Spielern zu wirken, eine souverän herausgespielte 3:0-Führung wurde im zweiten Drittel zum 6:3 ausgebaut. Im Schlußdrittel jedoch zerfiel alles. Als es 30 Sekunden vor Ende der Partie 7:7 stand, nahm der Schweizer Trainer Simon Schenk den Torhüter heraus, um mit sechs Feldspielern den Affront perfekt zu machen. Doch der große Coup scheiterte. Peter Obresa traf das leere Schweizer Tor zum glücklichen 8:7.
Die 12.000 Mark Siegprämie, die es in Stuttgart zu gewinnen gab, nahmen die Männer von Spartak Moskau mit. In der sowjetischen Liga belegen sie zur Zeit Platz 5!
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