piwik no script img

Hitler-Propaganda aus dem Computer

■ Immer mehr rechtsradikale Programme im Umlauf / Bundesprüfstelle schlägt Alarm

Bonn (ap) - Vor der zunehmenden Verbreitung von Computerspielen mit rechtsradikalem Inhalt hat die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften (BPS) in Bonn in der jüngsten Ausgabe ihres „BPS-Reports“ gewarnt. Neonazistische Kreise hätten die Computertechnik als neues Mittel der Verbreitung ihrer Propaganda erkannt. Die Entwicklung auf diesem Gebiet schreite „sehr schnell voran“.

Auf dem Index der BPS finden sich inzwischen Computerspiele mit Namen wie „Anti-Türken-Test“, „Clean Germany“ und „The Nazi“. Ihre rassistische und nazistische Hetze kommt nach den Beobachtungen der BPS oft unter der Tarnung anderer Computer-Software daher: „Man nimmt ein beliebtes Computerspiel als Raubkopie und legt auf der gleichen Diskette zusätzlich noch ein politisches Computerprogramm ab.“

Rechtsradikale Kreise nutzten auch verstärkt sogenannte Mailboxen als Propagandainstrument. Eine Mailbox ist ein Computersystem, das über Telefon erreichbar ist. Teilnehmer an einer Mailbox können über sie Daten austauschen. In diesen Systemen habe sich eine „elektronische Nebenöffentlichkeit“ gebildet, so der „BPS-Report“.

Die Erkenntnisse der BPS über die Hauptbenutzer von Computerspielen legen den Verdacht nahe, daß dieser Personenkreis Rechtsradikalen als leichter beeinflußbar erscheinen könnte: „Bei den reinen 'Computerspielern‘ handelt es sich in der Mehrzahl um Jugendliche aus sozial schwachen Schichten mit geringem Selbstwertgefühl, die in einem Umfeld voller Mißerfolge ein Stück Bestätigung erfahren“.

Die bisher bekanntgewordenen Neonazi-Programme huldigen dem Führerkult, verherrlichen Krieg und Rassismus und benutzen nationalsozialistische Symbole. Teilweise würden sogar dokumentarische Tonaufnahmen etwa von Hitler-Reden digitalisiert und als Bestandteil des Spiels abgespeichert, berichtete die BPS. Sie wies darauf hin, daß 85 Prozent der Zeit am Heimcomputer zum Spielen benutzt würden. Die Zahl der indizierten Computerspiele habe 1988 bei insgesamt 106 gelegen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen