piwik no script img

Israels Militärgerichte boykottiert

Jüdische und arabische Anwälte protestieren gegen die Behinderung ihrer Arbeit durch die Militärbehörden / 5.500 Palästinenser in Haft, davon rund 2.000 in „Administrativhaft“  ■  Aus Tel Aviv Amos Wollin

Die Anwälte inhaftierter Palästinenser im Westjordanland haben gestern einen einmonatigen Boykott der israelischen Militärgerichte verkündet, weil ihre Rechte von der Besatzungsmacht beschnitten würden.

Ein Sprecher des Komitees von 60 Anwälten erklärte, sie hätten Schwierigkeiten, ihre in Haft befindlichen Mandanten überhaupt ausfindig zu machen. Mangels rechtlichen Beistands würde die Untersuchungshaft der Gefangenen oft automatisch verlängert, und die Gefangenen bekämen keine Gelegenheit, sich zu verteidigen. Auch liege häufig ein langer Zeitraum zwischen Vernehmung und Anklage.

All das bedeute eine Verschärfung der Haft von Verdächtigen, die sich nicht in „Administrativhaft“ befinden, sondern für eine Militärgerichtsverhandlung vorgesehen sind. Von den rund 5.500 im besetzten Palästina inhaftierten Arabern befinden sich rund 2.000 in sogenannter „Administrativhaft“, d.h. einer von den Militärs verhängten sechsmonatigen Vorbeugehaft, die auch verlängert werden kann. Von den übrigen Häftlingen wartet ein Gutteil schon bis zu sechs Monaten auf einen Prozeß. Die lange Untersuchungshaft wird benutzt, um die Verdächtigen zu einem Geständnis zu bringen.

Die palästinensischen Anwälte protestieren ebenfalls gegen die Praxis der Israelis, die Familienmitglieder von Verdächtigen festzunehmen, die sie nicht finden können. Ein Militärsprecher dementierte gestern einen Bericht derTageszeitung 'Haaretz‘, wonach dies zumindest geplant sei. Wohl aber, sagte der Offizier, müßten Eltern von steinewerfenden Kindern oft eine Kaution zahlen. Sie bekämen das Geld nach einiger Zeit wieder zurück, wenn sich ihre Kinder ordentlich verhalten hätten.

Die Anwälte monierten gestern weiterhin, daß oft Gerichtsverhandlungen stattfänden, ohne daß sie von dem Termin erfahren hätten. Außerdem beschwerten sie sich erstens, daß die Familien der Inhaftierten oft nicht über deren Aufenthaltsort informiert werden; zweitens über die strengen Restriktionen bei Besuchen und drittens über das Fehlen von Haftbefehlen. Die israelische Rechtsanwältin Lea Tzemel kündigte an, daß sie und 14 weitere jüdische und arabische Anwälte, die vor Militärgerichten in der Westbank Klienten vertreten, sich dem Boykott der 60 anschließen werden. Ein Militärsprecher beantwortete die Vorwürfe der Anwälte: Die Militärgerichte funktionierten unter den gegebenen Umständen gut. Die Verhandlungen würden ordentlich geführt, also hätten die Anwälte wohl andere Motive, sie zu boykottieren. Er erinnerte die Rechtsanwälte daran, daß sie ihre Arbeit ohne ausdrückliche Zustimmung des Gerichts nicht niederlegen dürften.

Generalstreik

19 Palästinenser verletzt

Palästinensischen Quellen zufolge wurden 19 Einwohner der Westbank und des Gaza-Streifens gestern durch Schüsse verletzt.

Im Gaza-Streifen begann gestern ein für drei Tage angesetzter Generalstreik, um gegen die Abschiebungen von insgesamt 15 Palästinensern nach Libanon zu protestieren.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen