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Mudschahedin bereiten sich auf die Macht vor

Der stellvertretende Außenminister der UdSSR Woronzow hält sich in Pakistan auf / Sowjetunion ist bemüht um breites Regierungsbündnis in Afghanistan nach dem Truppenabzug / Mudschahedin wollen in Pakistan zur Ratsversammlung zusammentreten  ■  Aus Islamabad Simone Lenz

Selbst Radikalfundamentalist Gulbuddin Hekmathiar hatte inzwischen keinen Zweifel mehr an Moskaus Entschlossenheit, die „offene Wunde“ Afghanistan mit dem endgültigen Truppenabzug bis zum 15.Februar heilen zu wollen. Seit den Direktverhandlungen zwischen Moskau und der Mudschahedin -Siebener-Allianz im saudiarabischen Triaf Anfang Dezember '88 brüstet sich der bärtige Ingenieur, „die Sowjets da zu haben, wo ich sie schon immer haben wollte“. Die Allianz wertete die Gesprächsaufnahme als längst überfällige Anerkennung ihres Vertretungsanspruchs für das afghanische Volk

Auch der viertägige Besuch des stellvertretenden sowjetischen Außenministers Yuri Woronzow in Islamabad stand unter diesem Vorzeichen. Doch der Moskau-Unterhändler hat den Widerstandsführern bei seiner Ankunft am Mittwoch zunächst ein Schnippchen geschlagen. Er sei in erster Linie angereist, um mit dem pakistanischen Außenminister Yacoob Khan Gespräche zu führen und der neuen Premierministerin seine Aufwartung zu machen. Die Mudschahedin seien offenbar noch nicht zu einer neuen Verhandlungsrunde bereit, ließ er die Presse wissen. Daß die afghanischen Rebellen weder den seit dem 1.Januar im Angebot stehenden Waffenstillstand akzeptieren noch auf Woronzows diplomatische Winkelzüge der vergangenen 14 Tage reagierten, bestätigt seinen Eindruck. Dennoch wollte er am Donnerstag mit einer Delegation zusammenkommen.

Für Hekmathiars fundamentalistische Hesbi-Islami und Professor Rabbanis Jamiat-Fraktion steht hinter dem Weihnachtstreffen mit Afghanistans Ex-König Zahir Shah nichts geringeres als eine indo-sowjetische Konspiration mit israelischer Lobby. „Mit Ex-König Zahir Shah setzt Moskau auf ein totes Pferd“, erklärte Hekmathiar noch Anfang dieser Woche. In einem revolutionären Afghanistan von heute werde sich der Monarch, der in den sechziger Jahren gute Beziehungen zu Moskau unterhielt, nicht sicher fühlen. Zahir Shah ließ Moskau indessen wissen, daß er durchaus bereit sei, als Mittler nach Afghanistan zurückzukehren, wenn ihn das afghanische Volk akzeptiere, er schloß aber gleichzeitig jede Kooperation mit der Kabuler Regierung aus.

Moderate Allianz-Kreise schließen im Gegensatz zu Hekmathiar weder die vermittelnde Kraft des alten Königs aus noch lassen sie sich von Woronzows diplomatischem Blitzbesuch in Teheran abschrecken. Der neue Vorsitzende der Siebener-Allianz Professor Mujaddedi betonte am Vorabend der Islamabad-Gespräche, daß auch die im Iran stationierten Acht -Parteien-Allianz der Shia-Mudschahedin zu den Verhandlungen nach Islamabad eingeladen worden seien. Darüber hinaus kündigte er an, innerhalb der nächsten drei Wochen in Peshawar eine große Ratsversammlung von 400 bis 600 Afghanen einberufen zu wollen, die ein Beratungsgremium einsetzen soll. Die in Afghanistan kämpfenden Kommandeure sollten 40 bis 50 Prozent der nach Peshawar Geladenen ausmachen. Den Rest werden die Ulema (der Klerus), Teile der Intelligenzija, Emigranten und Stammesälteste stellen. Die Siebener-Allianz behält sich allerdings vor, die Versammlungsgäste handzuverlesen. Die Durchführung von freien Wahlen zur traditionellen „Nationalversammlung“ sei derzeit noch verfrüht.

Immerhin, der stellvertretende sowjetische Außenminister Yuri Woronzow hat in den letzten Wochen alle Anstrengungen unternommen, das Kabuler „Nach-Besatzungs-Regime“ auf eine möglichst breite Basis zu stellen, um damit nicht ganz das Gesicht zu verlieren. Längst hat man ihn wissen lassen, daß die regierende Nadschibullah-Clique austauschbar ist, längst werden nicht-kommunistische Kräfte in den Vordergrund gespielt. Die Kabuler Marionetten haben ihre Abreise längst vorbereitet. Es geht das Gerücht, Moskau wolle den mit einer starken Infrastruktur versehenen Norden doch noch halten. Die afghanische Armee jedenfalls hält ihre Soldaten dazu an, sich bis zum Alter von 40 Jahren und wenn möglich auch noch zu einer dritten Dienstzeit zu verpflichten. Kabul will über eine Schlagkraft von 500.000 Mann verfügen einschließlich Soldaten, Miliz und Mitgliedern der Kommunistischen Partei. Die Mudschahedin halten dies für eine Überschätzung und behaupten, täglich bis zu 70 Überläufer aufzunehmen. Die Überlebenschancen der afghanischen Armee stünden gar nicht so schlecht, dies um so mehr, als die Mudschahedin alle Mühe haben, sich auf eine gemeinsame Strategie zu einigen. Ohne internationale Unterstützung, und das heißt den Einsatz einer UN-Friedenstruppe, wollen politische Beobachter vor Ort nicht so recht an einen baldigen Frieden in Afghanistan glauben. Die einheimischen Bewohner von Peshawar freuen sich trotzdem schon auf die Zeiten, wenn die Stadt wieder zu einem verschlafenen Nest wird. Während der Novemberwahlen, als über die Flüchtlinge vorsorglich eine Ausgangssperre verhängt wurde, bekamen sie einen kleinen Vorgeschmack darauf.

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