: Das waren keine „Spinner“
Zu den nazistischen Anschlägen auf die Gedenkstätten ■ G A S T K O M M E N T A R
Mit starken Worten haben Berliner Repräsentanten auf die Schändung antifaschistischer und jüdischer Gedenkstätten reagiert: Es sind Verlautbarungen im Rahmen der Zuständigkeiten, Worte, wirksam wie Nebelwerfer und Krokodilstränengas, hinter denen man sich trefflich aus der Verantwortung stehlen kann.
Es hieße die Erfahrungen der deutschen Geschichte verniedlichen, wenn man die Täter nur als „Perverse“ oder „Spinner“ hinstellen wollte. Sie sind es ebenso wenig wie Hitler oder Goebbels das waren. Sie sind eher die Spitze eines Eisberges, der gewachsen ist in einem Klima von Gleichgültigkeit, Vergessen, Geschichtsverfälschung und klammheimlicher Sympathie mit Rassismus, Ausländerfeindlichkeit und Deutschtümelei. Der Angriff auf die Gedenkstätten ist der Angriff auf das antifaschistische Selbstverständnis der Gesellschaft. Und das ist nun einmal so entwickelt, daß die Polizei lieber einen Grundstein für das Historische Museum wochenlang bewachen läßt, wohingegen sich Hitler-Anhänger - nicht zum ersten Mal - an den Gedenkstätten für die Opfer Nazideutschlands austoben können.
Vielleicht brauchte der Staatsschutz nicht zu ermitteln, wenn ein hier tätiger Verfassungsschutz seine Aufgabe nicht vordringlich in der Ausspähung von Rechtsanwälten, Journalisten und demokratischen Parteien sähe. Möglicherweise wäre all das wiederum nicht erforderlich, wenn an den Berliner Schulen konsequent den Schülern ein antifaschistisches Geschichtsbewußtsein vermittelt werden würde. Denn: Auch „Perversionen und Abstrusitäten“ brauchen und haben ihren Nährboden, welcher, wie ich fürchte, von manchen heimlich gedüngt wird, der ihn lautstark zu Gedenktagen anklagt. Klaus Eschen, Rechtsanwalt und Mitglied der Jüdischen Gruppe Berlin
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen