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„Männeremanzipation“ am Uni-Frauentag

■ In der BeFreiten Universität wurde am Wochenende ein Vergewaltiger verhaftet / Gewalt gegen Frauen war trotzdem kein Thema für Podiumsdiskussion und autonome Männerseminare / Frauen fordern „männerfreie Zone“ in der Rostlaube

Der zweite UNiMUT-Tag sollte der Tag der Frauen sein. „Feministische Wissenschaft und Patriarchat“ hatten die VeranstalterInnen als Tagesthema vorgegeben. Doch der „Frauentag“ wurde von dem Gerücht überschattet, in der Vornacht sei in der Rostlaube erneut eine Frau vergewaltigt worden. Diese Vergewaltigung wäre nach Angaben des AStA -Frauenreferats die dritte in der Rostlaube seit Besetzung der Freien Universität gewesen. Tatsächlich wurde in der Nacht von Freitag auf Samstag in der Rostlaube ein 29jähriger Mann verhaftet, nachdem einer der Hausmeister die Polizei benachrichtigt hatte. Wie ein Sprecher der Polizei gestern gegenüber der taz erklärte, will der FU-Angestellte in ihm den Mann wiedererkannt haben, der circa fünf Tage vor Weihnachten in einer Frauentoilette in der Rostlaube eine Frau vergewaltigt haben soll. Gegen den mutmaßlichen Täter lagen bereits drei weitere Haftbefehle vor. Bei der Polizei hieß es gestern, die Geschädigte habe bislang keine Anzeige erstattet.

Trotz des kursierenden Gerüchts von einer dritten Vergewaltigung wurde über Gewalt gegen Frauen weder während der vormittäglichen Podiumsdiskussion noch in den autonomen Männerseminaren diskutiert. Erst am Abend gelang es einer Frauengruppe, die Gewaltvorfälle zum Thema des Abschlußplenums zu machen, jedoch nicht ohne Widerspruch zu ernten: Viele der Anwesenden wollten zunächst über die Räumung der Technischen Fachhochschule (TFH) diskutieren. Und die Tatsache, daß Männer während dieser Diskussion „ihre Klappe halten und nur zuhören“ sollten, stieß einigen Studenten ebenfalls sauer auf.

Was feministische Wissenschaft bedeute - dieser Frage widmete sich das mit sieben feministischen Wissenschaftlerinnen und Praktikerinnen besetzte Podium am Vormittag. „Feministische Wissenschaft bezichtigt die herrschende Wissenschaft der Lüge“, führte Christina Thürmer -Rohr, Professorin am Fachbereich Erziehungswissenschaften der TU aus. Paradigmen und Disziplinen der herrschenden Wissenschaft wären grundlegend in Frage gestellt, wenn feministische Wissenschaft ernst genommen würde. „Doch der männliche Androzentrismus scheint ungebrochen. Die Universitäten erweisen sich als aggressivste Einrichtungen bei der Verteidigung des patriarchalen Denkens. Die Ergebnisse der Frauenforschung würden von der dominanten Wissenschaft einfach ignoriert.“

Der Nachmittag des „Frauentages“ stand dann im Zeichen der Männeremanzipation. Mehrere autonome Männerseminare und ein Männerforum wurden angeboten. Rund 100 Männer diskutierten etwa beim Männerforum über Männlichkeit und Patriarchat, Leidensdruck und männliche Opferrolle, Machtverlust und Lustgewinn. Frauen waren nur als Zuhörerinnen zugelassen. Den Männern ging es vor allem um die Entwicklung eines eigenen Männerstandpunktes. Mann dürfe sich nicht zu sehr an den Forderungen der Frauen orientieren, die Frauen seien schon zwanzig Jahre weiter mit ihrer Bewegung. „Wir müßten uns eigentlich erstmal ganz weit zurückziehen“, faßte ein Mann zusammen. Andere forderten dagegen endlich „Schritte nach außen“: „Wir Männer haben eben den Arsch bislang noch nicht hochgekriegt.“ In Zusammenhang mit dem Streik wurde unter anderem gefordert, das männliche Redeverhalten zu überprüfen und bei „üblen, sexistischen Angriffen gegen Frauen“ einzugreifen. Die Übergriffe gegen Frauen in der besetzten Rostlaube waren allerdings kein Thema für die emanzipationswilligen Männer. Heftige Kritik an den „verbal -radikalen Männern“ wurde derweil auf dem einzigen autonomen Frauenseminar des Tages geübt. „Haarsträubend und ungeheuerlich“ fanden einige Frauen, wie Männer das Tagesthema für sich vereinnahmen würden. Diskutiert wurde vor allem, wie Frauen auf Gewalt und Belästigung an der befreiten Universität reagieren könnten. „Warum sperren wir nicht einen Gang ab und erklären ihn zur männerfreien Zone?“, wurde gefragt und allgemeines Alkoholverbot in der Rostlaube gefordert. Frauen sollten nachts nicht mehr alleine auf die Toilette gehen, sondern sich von anderen Frauen oder Männern begleiten lassen. Als Reaktion auf die Gewaltfälle wurden inzwischen die nächtlichen Patrouillengänge von StudentInnen wieder verstärkt. „Wir versuchen, uns gegenseitig zu schützen“, sagt eine Frau vom Institut für Psychologie. Die Gewalt gehe nicht von den Streikenden, sondern von Leuten, die von außen kämen, aus. „Wir sind jetzt schon sechs Wochen dabei, da kennt man seine Pappenheimer.“

Frauke Langguth

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