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Greenpeace blockiert Frankreichs Südpol-Station

Umweltschutzorganisation will mit Aktion den Bau einer Landebahn im Eis verhindern / Franzosen vernichten Brutstätten von Pinguinen / Arbeiter gingen mit Bulldozer auf Greenpeacler los / Paris stellt sich taub / Verhältnis am Gefrierpunkt  ■  Von Alexander Smoltczyk

Seit dem Eozän, also schon sehr lange, lebt der Adelie -Pinguin dort, wohin alle Kompaßnadeln zeigen: auf dem Südpol. Mit kurzem Schnabel, gelben Füßen und weißen Ringen um die Augen legt er jedes Jahr seine zwei Eier ins ewige Eis und hofft auf Nachwuchs. Daß es damit in Zukunft nichts wird in „Terre Adelie“ verdankt der Vogel dem Mutterland der Aufklärung: Bauarbeiter der französischen Polarstation Dumont d‘ Urville sprengten seit 1982 fünf Inselkuppen in die Luft und schütteten mit dem Geröll eine Wasserstraße zu, um eine 1.100 Meter lange Startbahn zu schaffen. Daß sich in dem Geröll auch etliche der 75.000 Adelie-Pinguine und Adelie-Seevögel befanden, die die Inseln bevölkerten, bestreiten nur noch die Betreiber der Station. Auch vor dem Kaiser-Pinguin machten die Republikaner aus dem Norden nicht halt: Die Landebahn unterbricht den Zugang einer Kolonie zu ihrem Brutgebiet.

Der Zugang sei nicht lebensnotwendig für die Pinguine, beteuerte noch am Freitag Stationsleiter Jean-Francois Houssin der auf ihrer „M. S. Gondwana“ angereisten Greenpeace-Delegation. Außerdem seien „geeignete Maßnahmen“ ergriffen worden, um die Pinguine vor den Sprengungen zu vertreiben. Nach Angaben von Greenpeace bestanden diese Maßnahmen allerdings nur darin, die Eier der Pinguine zu zerstören, um diese nach ihrer Deportation per Lastwagen an der Rückkehr auf ihre Insel zu hindern. Ein sinnloses Unterfangen: denn kaum hatten die Bauarbeiter die Inseln verlassen und die Sprengladungen gelegt, kamen die Ureinwohner schon wieder. „Damit zerstören die Franzosen die Vogelwelt, zu deren Erforschung die Station ursprünglich gebaut wurde“, befand Greenpeace und schritt zur Aktion.

In den Morgenstunden des antarktischen Samstags besetzten fünfzehn Greenpeacler den Bauplatz von Dumont d‘ Urville, entrollten ein Transparent und begannen, eine Hütte auf der Piste zu errichten. Als der Vorarbeiter den Befehl ausgab, die Bauarbeiten in jedem Fall weiterzuführen, stellten sich die Besetzer den Planierraupen in den Weg und versuchten, Flugblätter an die Arbeiter auszuteilen. Plötzlich „gerieten die Arbeiter außer Kontrolle“, wie Stationsleiter Houssin es gestern darstellte: Bauingenieur Engle Told drohte, die Hütte wegzuräumen, unabhängig, ob Greenpeace-Leute da seien oder nicht. Mit dem Bulldozer gingen die französischen Arbeiter gegen die Aktivisten vor, schlugen einige zu Boden und zerrten sie beiseite. Die Baumaschinen fuhren teilweise nur um wenige Zentimeter an den Umweltschützern vorbei. Greenpeace-Expeditionsleiter Peter Wilkinson: „Nur dem absolut friedlichen und defensiven Verhalten der Greenpeace -Leute ist es zuzuschreiben, daß niemand wirklich ernsthaft verletzt wurde.“ Als Stationsleiter Houssin später Videoaufzeichnungen der Aktion gezeigt wurden, versprach er, die Bauarbeiten nicht weiter fortzusetzen, ohne vorher entsprechende Weisung aus Paris bekommen zu haben. Damit ist, so Greenpeace gestern, „dieser Tag ein voller Erfolg.“

In Paris wollte man am Samstagabend von dem Zusammenstoß nichts wissen. Der Minister für die überseeischen Gebiete, Le Pensec, hüllte sich auch gestern noch ebenso in Schweigen wie Umweltminister und Ex-Grüner Brice Lalonde. Vermutlich müssen die Ministerien sich direkt mit Premierminister Rocard absprechen, denn Frankreich hat große Pläne in der Antarktis. Seit dem Rohstoffabkommen vom Juni 1988 ist der sechste Kontinent „der Ausbeutung preisgegeben“, so Wilkinson von Greenpeace. Mit seiner erweiterten Startbahn soll Dumont d‘ Urville ab 1992 zur Versorgungsstation für eine zweite französische Basis 1.000 Kilometer weiter im Inland werden, die gewiß nicht dazu dienen wird, Pinguine zu beobachten. Bereits im vergangenen Jahr hatte Greenpeace die Müllpraktiken u.a. der französischen Station angeprangert. Alle Abfälle bleiben durch den Frost für Jahrzehnte konserviert. Schon eine probeweise Ausbeutung der antarktischen Rohstoffe würde das Ökosystem des Kontinents zerstören.

Seit der Sprengung der „Rainbow Warrior“ 1985 hat sich das Verhältnis zwischen Frankreich und Greenpeace nur zögernd gebessert. Sollte Rocard an den Kolonialisierungsplänen seines Landes festhalten, würden sich die Beziehungen zu der Umweltschutzorganisation weiter abkühlen - bis zum antarktischen Tiefpunkt.

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