: UdSSR will C-Waffen vernichten
Schon wieder überrascht die Weltmacht mit Abrüstungsschritt / Noch 1989 will sie ihre Chemiewaffen abbauen / Arabische Staaten mit eigenen Forderungen ■ Aus Paris A. Zumach
Eine neue Abrüstungsinitiative der Sowjetunion sowie die Forderung zahlreicher „Dritt-Welt-Staaten“ nach Verknüpfung“ von chemischer mit atomarer Abrüstung beherrschten am Wochenende die internationale Pariser Chemiewaffenkonferenz.
Die UdSSR werde noch „in diesem Jahr mit der Zerstörung ihrer Chemiewaffenvorräte beginnen“, kündigte der sowjetische Außenminister Schewardnadse gestern vor den Delegierten aus 151 Staaten im Pariser UNESCO-Gebäude an. Konkrete Mengen und Zerstörungstempo nannte er nicht. Um „den längst überfälligen Abschluß eines Vertrages über ein weltweites, verifizierbares Chemiewaffenverbot bis spätestens Ende 1989 politisch zu ermöglichen“, schlug er eine Außenministerkonferenz der 40 Staaten der Genfer Abrüstungskonferenz vor.
„Die Zeit pathologischer Geheimniskrämerei ist vorbei“, erklärte Schewardnadse und verlangte in deutlicher Anspielung auf US-Positionen bei den Genfer Verhandlungen „Offenheit auf allen Seiten“ und die Bereitschaft „aller Staaten, unangekündigte Vorort-Inspektionen ohne jede Einschränkung auf ihrem Territorium und in ihren Fabriken zuzulassen“. Wie Schewardnadse widmete auch Italiens Außenminister Andreotti fast seine gesamte Rede dem Ziel der Genfer Verhandlungen und erklärte ebenfalls deutlich auf Washington gemünzt: „Ein weltweites Verbot ist machbar, und noch bestehende technische Probleme sollten nicht als Alibi dienen, nicht zu einer Vereinbarung zu kommen.“ Außenminister Genscher, der nach jahrelangem Bonner Zweckopti mismus vor bundesdeutschen Journalisten erstmals von 1988 als „einem Jahr der Stagnation bei den Genfer Verhandlungen“ sprach, erklärte seine „völlige Übereinstimmung mit Andreotti“ und kündigte eine ähnliche Stoßrichtung für seine heutige Rede an. In deutlichem Kontrast dazu erwähnte US-Außenminister Shultz die Genfer Verhandlungen nur kurz und sprach vorwiegend von der „dringenden Notwendigkeit, die weitere Verbreitung chemischer Waffen und insbesondere ihre Weitergabe an Terroristen oder Staaten vor allem aus dem arabischen Bereich“ zu verhindern.
Stellvertretend für andere arabische Regierungen verlangte Ägyptens Außenminister Meguid die Fortsetzung Seite 2
„gleichzeitig weltweite Gültigkeit“ von Abrüstungsabkommen. Ein Verbot von Chemiewaffen sei untrennbar mit dem Verbot anderer Massenvernichtungsmittel verknüft. „Fortschritt bei den C-Waffen gibt es nur bei parallelem Fortschritt bei den Atomwaffen“, deutete Meguid eine künftige entschiedenere Haltung der Dritt-Welt-Länder bei multilateralen Abrüstungsverhandlungen an. Es könne „nicht einigen wenigen Staaten erlaubt bleiben, weiterhin ohne internationale Kontrolle über eine atomare Option zu verfügen“. Diese Haltung zielt nicht nur auf die fünf Atom
mächte, sondern auch auf die Atomwaffenkapazität Israels ab, das im Unterschied zu seinen arabischen Nachbarn den Nichtweiterverbreitungs-Vertrag nicht unterschrieb.
Hinter den Kulissen der Konferenz wird heftig darum gestritten, ob und in welcher Form eine solche „Verknüpfung“ in die für Mittwoch geplante Abschlußerklärung geschrieben wird. Die Atommächte sind strikt dagegen. Washingtons Delegierte üben starken Druck auf „befreundete“ Staaten in der Dritten Welt aus, entsprechende Forderungen fallenzulassen. Vertreter einiger westeuropäischer nichtatomarer Staaten schließen ein „Scheitern der Konferenz über diese Frage nicht völlig aus“.
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