: Chinas Studenten sauer über Privilegien für Ausländer
■ Unmut chinesischer Kommilitonen über höhere Stipendien / Rassismus und eine puritanische Gesellschaft erschweren das Leben afrikanischer Studenten in China / Rund 90 Prozent der Afrikaner wollen nach den Dezemberunruhen wieder das Land verlassen
Beijing/Berlin (wps/taz) Ein neuer Eisenzaun umgibt das Wohnheim für ausländische Studenten der Hehai-Universität in Nanjing. Hier, knapp 1.000 Kilometer südlich der Hauptstadt Beijing, hatten am 24. Dezember die Auseinandersetzungen zwischen afrikanischen Studenten und ihren chinesischen Kommilitonen begonnen, nachdem die Ausländer sich geweigert hatten, beim Pförtner den Namen chinesischer Besucherinnen registrieren zu lassen. Der neue Zaun symbolisiert den Versuch der afrikanischen Studenten, in der Isolation ihrer Wohnheime und dem Umfeld einer puritanischen Gesellschaft so etwas wie ein gewohntes Leben aufrechtzuerhalten.
Die 1.500 afrikanischen Studenten in China unterliegen den gleichen Einschränkungen, haben aber auch die gleichen Privilegien wie ihre anderen ausländischen Kommilitonen: gesonderte Wohnheime und Besucherkontrollen, die die Möglichlichkeiten sozialer Kontakte einschränken, aber auch Zwei-Bett-Zimmer, während chinesische Studenten häufig zu sechst oder gar zu acht in einem Zimmer untergebracht sind.
Diejenigen unter ihnen, die in den Genuß staatlicher Stipendien kommen, erhalten monatlich zwischen 260 und 300 Yuan (150 bis 180 Mark), was dem Monatsgehalt eines chinesischen Hochschullehrers entspricht. Demgegenüber müssen die chinesischen Studenten mit 30 Yuan monatlich auskommen.
Hinzu kommen im kalten chinesischen Winter besser geheizte Räume und in den technischen Bereichen bessere Geräte für die Ausbildung. Viele ausländische Studenten empfinden trotz dieser Privilegien ihr Leben auf dem Campus als ausgesprochen spartanisch, während die Ungleichheiten der Behandlung unter den chinesischen Studenten Unmut hervorbringen, der sich gelegentlich in Vorurteilen oder Rassismen entlädt.
Zu den Vorurteilen gehört beispielsweise die Auffassung, Afrikaner seien Träger des Aids-Virus. Die ausländischen Studenten stört auch die Art, wie sie angestarrt oder wie über sie geredet wird. Viele von ihnen, die nach den jüngsten Zusammenstößen und Auseinandersetzungen mit den Behörden das Land verlassen wollen, werfen nun ihren Regierungen vor, sie nicht auf die Situation vorbereitet zu haben. Ein junger Mann aus Uganda: „Ich war überrascht über den Rassismus hier, als ich im letzten Herbst angekommen bin. Ich hatte keine Ahnung von diesem Problem. Die Leute nennen uns 'schwarze Teufel‘. Ein Mann ist mal neben mir auf dem Fahrrad gefahren und hat mich die ganze Zeit angestarrt. Als ich ihn nach dem Grund fragte, sagte er, er habe noch nie einen 'schwarzen Teufel‘ gesehen.“ Über ein Jahrhundert lang war es üblich, alle Fremden als „Teufel“ zu bezeichnen
-die Amerikaner oder Europäer, die über See kamen, als „Ozeanteufel“, die Japaner als „japanische Teufel“, die Afrikaner als „schwarze Teufel“.
Seitens der afrikanischen Studenten liegt die Unzufriedenheit mit ihrer Situation nicht nur in ihrer Isolation, sondern auch darin, daß für sie ein Studium in China nur die zweite Wahl ist. Die meisten von ihnen sprechen Englisch oder Französisch und hätten ein Stipendium in einem dieser Länder vorgezogen. So müssen sie einen Teil ihres Fachstudiums mit dem Erlernen einer neuen Sprache und Schrift zubringen.
In den letzten Tagen haben die Auseinandersetzungen, die sich nach den Ereignissen in Nanjing auch auf andere Universitäten ausgedehnt hatten, nachgelassen. Die afrikanischen Studenten des Sprachinstituts in Beijing boykottieren aber weiter ihren Unterricht, um die Freilassung von drei in Nanjing inhaftierten Kommilitonen zu erreichen. In offiziellen Kontakten versuchten afrikanische Diplomaten und chinesische Regierungsbeamte, die Situation zu entspannen. Einem Sprecher der afrikanischen Studenten in Nanjing zufolge möchten jedoch über 90 Prozent von ihnen China den Rücken kehren. Ein Angebot des libyschen Revolutionsführers Gaddafi, die jungen Afrikaner aufzunehmen, wird angeblich „geprüft“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen