Internationale Kritik an BRD-Exportpolitik

VertreterInnen der „australischen Gruppe“ kritisieren Bonn: Bundesregierung verhinderte in den letzten Jahren Exportrestriktionen gegen chemische Substanzen / Delegierte der Pariser Chemiewaffenkonferenz begrüßen beschlossene Exportkontrollmaßnahmen  ■  Aus Paris Andreas Zumach

Die bislang nur von den USA öffentlich vorgetragene Kritik an der mangelnden Bereitschaft der Bonner Regierung, Exporte bundesdeutscher Firmen besser zu kontrollieren und notfalls zu unterbinden, um der Produktion von Chemiewaffen in den Empfängerländern vorzubeugen, wird auch von anderen Ländern der sogenannten „australischen Gruppe“ geteilt. Zwecks Vereinbarung von Exportrestriktionen treffen sich in dieser nach ihrem Tagungsort, der australischen Botschaft in Paris, benannten Gruppe seit 1985 halbjährlich VertreterInnen der 19 Staaten Australien, Belgien, BRD, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Irland, Italien, Japan, Kanada, Luxemburg, Neuseeland, Niederlande, Norwegen, Portugal, Schweden, Schweiz, Spanien, USA sowie der EG.

„Die Abstimmung zur Aufnahme bestimmter chemischer Substanzen in Exportverbots- oder -einschränkungslisten gehen sehr oft 19 zu eins aus, und die eine Gegenstimme kommt in diesen Fällen fast immer von der Bundesrepublik“, erklärte gestern am Rande der internationalen Pariser Chemiewaffenkonferenz der Botschafter eines nichteuropäischen Landes der Gruppe, das selber über keine wesentliche Chemieindustrie verfügt. Als „typisch“ für das Verhalten Bonns schildert er einen Fall, in dem der bundesdeutsche Vertreter gegen die Aufnahme einer bestimmten Substanz gestimmt habe, mit dem Argument, sie werde „auf der ganzen Welt nur von einer Firma in der BRD“ produziert und die bundesdeutsche Chemieindustrie verhalte sich äußerst verantwortlich, weshalb es keiner Vereinbarung über ein Exportverbot bedürfe. Da Beschlüsse nach dem Konsensprinzip fallen, verhinderte Bonn damit zunächst Exportrestriktionen gegen diese chemische Substanz. Erst als auf der nächsten Sitzung der Gruppe die USA nachwiesen, daß die Substanz unter anderem auch von drei US-Firmen produziert werde, habe der BRD-Vertreter seinen Widerstand gegen Exportrestriktionen aufgegeben.

Mit Mühe hat sich die Gruppe der 19 Staaten bislang auf ein Verbot beziehungsweise auf Einschränkungen für acht Substanzen geeinigt, bei denen es nur eines oder zweier chemischer Prozesse zur Herstellung von Giftgasen bedarf. Nach bisher gültiger Definition in der Gruppe fanden zwei dieser Substanzen bis heute ausschließlich Anwendung in der militärischen Produktion, die anderen sechs sind sowohl für die Herstellung von Giftgasen als auch für zivile Produkte von Bedeutung. Einige Länder der „australischen Gruppe“, vor allem Niederlande, USA, Kanada und Norwegen, haben freiwillig bis zu 32 weitere Substanzen mit Exportrestriktionen belegt.

Erste Reaktionen auf die vom Bundeskabinett am Montag beschlossenen neuen Exportkontrollen unter den Delegierten der Pariser Konferenz waren skeptisch. „Das hätte schon vor Jahren passieren müssen“, meinte ein westeuropäisches Delegationsmitglied. Offensichtlich habe es „doch des Drucks der USA bedurft, damit sich in Bonn überhaupt etwas bewegt“.