: Alles unter Kontrolle
Zur Einigung der SPD-Programmkommission ■ K O M M E N T A R E
Die Einigung der SPD-Programmkommission über die Frage der Demokratisierung der Wirtschaft ist genau genommen nur eine Einigung über die Programm-Diskussion innerhalb der SPD. Das Irseer Programm hatte ja keineswegs die sogenannte „Streitkultur“ innerhalb der Partei befördert. Der ökologisch-pietistische Geist, der sich unter Epplers Redaktion in den Programmteilen ergoß (besonders beklemmend im Kulturteil), hatte mehr Kopfschütteln als Debatten ausgelöst. Und in der Parteiführung herrschte und herrscht eher die Ansicht, daß die Zeit für ein Grundsatzprogramm durchaus nicht reif ist. Mithin stand der Termin des Programmparteitages im August zur Disposition.
Aber in den letzten Wochen gab es dennoch Streit, vor allem um die Rolle des Staates bei betrieblichen Entscheidungen und bei der Frage des Arbeitsbegriffes. Im Dezember schmetterte ein Bündnis von gewerkschaftsorientierten rechten und traditionell linken Sozialdemokraten die Irseer Programmpunkte ab. Daß sich an der Programmfrage der latente Flügelstreit der SPD zu verschärfen drohte, mußte die Parteiführung und vor allem Lafontaine, Verantwortlicher für die Programmarbeit, alarmieren. Die Verschiebung der Einigung und die Verschiebung des Parteitages hätte die SPD mit streitenden Flügeln in den Wahlkampf geführt.
Es stand nicht nur das Renommee Lafontaines auf dem Spiel, sondern auch seine Politik. Es wäre eine schwere politische Niederlage für ihn persönlich gewesen, wenn sich die SPD im nächsten Halbjahr dem Streit um das Ja und Nein staatlicher Wirtschaftslenkung gewidmet hätte. So hatte er mit der Einigung jetzt ganz offen sein politisches Schicksal verknüpft und - erfolgreich - die Programmkommission erpreßt: es hat keine inhaltliche Entscheidung gegeben, sondern eine Kampfabstimmung. Mit kleiner Mehrheit sind die gewerkschaftlichen und linken Wirtschaftslenker als antiquierte Ideologen hingestellt worden, mit Gedanken, die „nicht einmal Gorbatschow akzeptieren“ (Lafontaine) würde. Lafontaine ist der klare Sieger. Er hat ein ideologisch brisantes Bündnis zerschlagen; er hat verhindert, daß die Programmdebatte selbst einer Mehrheitsstrategie gefährlich wird oder ein Regierungsprogramm beengen könnte. Die SPD wird ein Programm haben. Aber: es wird bestenfalls nur insofern neu und offen sein, als es die neuen Fragen in die Nähe der alten rückt.
Klaus Hartung
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