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Polizeifreie Universität Berlin

Nach viertägigem massiven Einsatz ließ Innensenator Kewenig mit Intervention von FU-Präsident die Polizei vom Campus abziehen / Solidaritätsdemo mit den streikenden BerlinerInnen am Samstag in Frankfurt  ■  Von Sieber / Hoffmann / Blum

Berlin / Frankfurt (taz) - Gestern nachmittag ist die Polizei vom Campus der FU Berlin abgezogen. Nach vier Tagen ist damit der massive Polizeieinsatz gegen die streikenden Berliner StudentInnen - zunächst - beendet. Bei den brutalen Übergriffen der Polizei wurden nach Angaben des Astas etwa 200 StudentInnen verletzt, zum Teil schwer. Über 100 seien vorläufig festgenommen worden.

Der Präsident der FU, Dieter Heckelmann, hatte gestern mittag den Berliner Innensenator Kewenig „gebeten, die Polizei vom Campus der FU zurückzuziehen“. Damit, so Heckelmann, sollte der Weg zu einem „absolut unbeeinflußten Dialog“ freigemacht werden. Zuvor hatte eine VV von 400 wissenschaftlichen MitarbeiterInnen mit nur einer Gegenstimme entschieden, keine Lehrveranstaltung abzuhalten, solange sich die Polizei auf dem Campus befinde. Auch zahlreiche Professoren hatten gegen den Polizeieinsatz protestiert. Die Gewerkschaft der Polizei hatte am Mittwoch eine politische Lösung gefordert: „Die Beamten haben keine Lust, den Kopf hinzuhalten für eine verfehlte Hochschulpolitik“, erklärte ihr Vorsitzender Burkard von Walsleben.

Mit dem massiven Polizeiaufgebot seit Uni-Beginn am Montag sollte die Durchführung von Medizin-Praktika erzwungen werden - gegen den Streikbeschluß der MedizinstudentInnen. Einige tausend StudentInnen blockierten daraufhin friedlich alle Zugänge zu den von der Polizei besetzten Physiologie und Anatomie-Gebäuden. Vier Tage lang versuchte die Polizei, den StreikbrecherInnen den Weg zu ihren Praktika-Plätzen freizuprügeln. Einen „geordneten Lehrbetrieb“ konnte die Uni -Leitung damit jedoch nicht durchsetzen. Selbst die Direktoren der betroffenen Institute sprachen sich für ein Ende des Polizeieinsatzes aus.

Wie es weitergehen wird, ist ungewiß. FU-Präsident Heckelmann äußerte gestern die Erwartung, daß die „Studierwilligen“ ab dem heutigen Freitag ungehindert zu ihren Lehrveranstaltungen gelangen könnten. Die Mehrheit der StudentInnen sieht jedoch keine Veranlassung, ihren Streik abzubrechen, solange ihre inhaltlichen Forderungen weiterhin ignoriert werden.

Solidarität mit Berlin

Die streikenden Giessener StudentInnen halten seit gestern insgesamt vier Institute und das Verwaltungsgebäude der Justus-Liebig-Universität besetzt. Nach dem Mehrzweck -Verfügungsgebäude der Naturwissenschaftler sind jetzt auch die Institute der MusikwissenschaftlerInnen, RomanistInnen und das Philosophicum II okkupiert.

Die KommilitonInnen an der Frankfurter Goethe-Universität, die als erste bundesdeutsche Uni im November'88 bestreikt wurde, solidarisieren sich weiterhin mit den Berliner StudentInnen. In Fachbereichs-Vollversammlungen wurden Solidaritätserklärungen verabschiedet - die StudentInnen des Fachbereichs Medizin wollen die während der Knüppeleinsätze in Berlin verletzten und festgenommenen KommilitonInnen finanziell unterstützen. Auch in Marburg und Köln wurden die Physiologie-Institute besetzt. Der Treffpunkt für die Solidaritätsdemonstration am Samstag in Frankfurt um 12 Uhr wurde unterdessen vom Campus auf den Vorplatz der Alten Oper verlegt.

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