: Totentanz der Ideologen
Als der Schweizer Dramatiker, Philosoph und Moralist, Friedrich Dürrenmatt, 1982 mit der Arbeit an seiner „Achterloo-Tetralogie“ begann, wurde in Polen von General Jaruzelsky gerade das Kriegsrecht verhängt. Anlaß für Dürrenmatt, die reale Situation in Polen, kurz vor dem Ausnahmezustand, in sein Stück einzubauen. Polen 1982: für den Schweizer ein Irrenhaus. Die Insassen spielen - in historischen Kostümen - historische Figuren nach. Der polnische General in der Rolle des Napoleon Bonaparte.
Als im Oktober 1983 das Stück Achterloo unter der Regie von Gerd Heinz uraufgeführt wurde, herrschte bei der Kritik Ratlosigkeit und Verärgerung. „Keine Komödie, keine Klamotte, sondern ein unerquickliches Stoffe-Recycling“, monierte theater heute, „in diesem Totentanz der Ideologen ist Dürrenmatt kein Kalauer zu dürr und zu matt zum Mitklappern“, kritisierte der Spiegel. Obwohl man mit Vorwürfen nicht sparte, drängte die Ehefrau des Dramatikers, Charlotte Kerr, auf eine Fortsetzung des Projekts. Die Bühnen lehnten dankend ab.
Schließlich interessierte sich der Süddeutsche Rundfunk für eine Neuauflage des Welttheaters und spendierte 1,3 Mio für die SDR-Produktion: Achterloo IV wurde das Aushängeschild der Schwetzinger Festspiele 1988. Am Samstag um 20.15 Uhr geht in allen Dritten Programm der Vorhang auf für vier Stunden Achterloo: Vier Stunden tanzen Belehrbare und Unbelehrbare der Zeitgeschichte auf der von Josef Svoboda gestalteten Bühne: Die Welt ist ein Irrenhaus. Anschließend, um 23.05 Uhr, zeigt dann Roman Brodmans Dokumentation Die Welt ist ein Irrenhaus den inszenierenden Schriftsteller in Aktion.
Regina Keichel
„Achterloo“ von Friedrich Dürrenmatt: 20.15 Uhr auf allen Dritten Programmen S O N N T A G
Für die morgendliche TV-Stunde: Ernest Hemingway: Alle wahren Helden sind tot: Der Ruhm des Schriftstellers ist nicht verblichen, die Legende vom rauhbeinig-hartgesottenen „Marlboro-Mann der amerikanischen Literatur“ (Times) dauert noch nach seinem Tod fort. Hemingway hat sich im Juli 1961 erschossen. Die vierteilige BBC-Dokumentation von Anna Benson Gyles zeigt Interviews mit Freunden und bisher unveröffentlichte Aufnahmen. Hemingswys Jugend zeigt der erste Teil im ARD um 10.45 Uhr. (Zweiter Teil: 22.1., 10.45, ARD).
Im WDR läuft um 13.15 Uhr der berühmte psychoanalytische Stummfilm Geheimnisse einer Seele (1926), der die Kühle eines Expertenberichts mit expressionistischen Stilmitteln verbindet. Zur selben Uhrzeit auch in den Dritten Programmen von Südwest und Hessen.
Beim alljährlichen Kampf der Schüler von Longeverne gegen die von Velrans geht es trickreich zu: Dem ersten Gefangenen werden Gürtel, Hosenträger und Knöpfe abgenommen - damit er von seinen Eltern verprügelt wird. Als sie das Spiel zu doll treiben, finden sich die Anführer beider Gruppen im Internat wieder. „Ein herzerfrischendes Lustspiel“, schreibt die SZ. (ZDF, 15.30 Uhr).
Das deutsche Fach-Magazin für Medien und Kommunikation, neue medien lobt das Spiegel-TV wie folgt: „Zu preisen ist summa summarum mehr als ein gelungener Film. Ist das kontinuierliche Nachhaken im Magazin-Stil der frühen Jahre... Ist das ungekünstelte Understatement der Moderation. Ist die Fähigkeit, aus eher schmalem Etat investigativen Journalismus zu zaubern.“ Ob das stimmt, wird sich heute abend, 21.45, auf RTL-plus zeigen.
Nach neuesten Untersuchungen gibt es in der BRD drei Millionen Menschen, die ständig, also chronisch unter Schmerzen leiden. Carmen Franz entwickelte zusammen mit zwei Filmemachern ein Drehbuch, dessen Filmumsetzung die „Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung“ und der Südwestfunk ermöglichte. Jetzt hat der Film Schmerz in der ARD um 22.40 Premiere. Ein Film von Martin Choroba und Stefan Weller.
Günther Jauch, sogenannter Stern am Himmel deutscher TV -Moderatoren, lädt um 21.05 im ZDF zu einem Jahresrückblick ein: Menschen'88. Vorgesehene Gäste: Sprint-Olympiasiegerin Florence Griffith-Joyner, die vor einer Woche das Sechstage -Rennen in Bremen mit einem gekonnten Schuß eröffnete; Fehlstarter und Zehnkämpfer Jürgen Hingsen, die Herren Grönemeyer und Fendrich, Buntstiftlutscher Fernd Fritz und sein Gegenpart Thomas Gottschalk und die Freundin der bei der Gladbeck-Bremen-Geiselnahme erschossenen Silke Bischoff. Ute Lemper wurde nicht eingeladen, darf aber in der Musikwerkstatt, um 23 Uhr auf dem gleichen Kanal auftreten.
Filme: Französische Rechtsradikale überfallen in einem Zug einen Araber und werfen ihn aus dem Fenster. Eine junge Frau geht später zur Polizei und petzt. Höllenzug (Train d'enfer), Frankreich 1983, mit Karim Allaoui, Roger Hanin, C. Pascal. Regie hat Roger Hanin. Bayern, 22.20 Uhr.
Hokuspokus: Ein typischer 50er-Jahre-Alles-ist-wieder-in -Ordnung-Film aus deutschen Landen, mit Curt Goetz, Valerie von Martens und Erich Ponto. Für die Regie zeichnet Kurt Hoffmann. Nordkette, 23 Uhr.
Der geschiedene Chirurg Jean-Marie Dupree arbeitet in einem mobilen Klinikum. Er verliebt sich in Waffe des Teufels in eine Krankenschwester. Zu sehen um 23.15 Uhr auf SAT 1.
Der junge Provinzautor Edgar Allen (nicht Poe) kommt nach Hollywood. Dort verselbständigen sich seine Horror -Geschichten ganz horrormäßig. Wer sich gruseln möchte und in Bayern lebt oder über eine Verkabelung verfügt, schalte um 23.50 Uhr den Bayrischen Rundfunk ein.
gin
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