piwik no script img
taz logo

V-Mann in der taz enttarnt

■ Der V-Mann Norbert-Leander Hermsdorf war 1982 ein halbes Jahr Spitzel in der taz / taz-Anstellung galt als Resozialisierungsmaßnahme

Berlin (taz) - Nach Recherchen der taz steht jetzt fest: Im ersten Halbjahr 1982 war ein Mann namens Norbert Leander Hermsdorf (32) im Dienste des Berliner Landesamtes für Verfassungsschutz fünf Monate lang im Verwaltungsbereich der taz tätig.

Eingeschleust wurde er als Resozialisierungsfall - Norbert Hermsdorf hatte in der Berliner Haftanstalt Tegel gesessen und bewarb sich bei der taz, um als Freigänger seine Rückkehr in die Freiheit zu proben. In den Genuß dieser Hafterleichterung kam er, weil er auf einen Deal mit dem Verfassungsschutz einging und zusagte, seinen V-Mann Führer Lutz T. mit taz-interna zu versorgen.

Hermsdorf verschwand nach fünf Monaten aus der Zeitung, nachdem er erneut straffällig wurde. Ein Versuch des damaligen Staatsanwalts und heutigen Staatssekretärs im Innensenat, Wolfgang Müllenbrock, dem Mann die Rückkehr in den Knast zu ersparen, damit er in der taz bleiben konnte, mißlang. Trotzdem gibt es Hinweise, daß Hermsdorf auch nach seiner Entlassung 1986 erneut für den VS tätig war. Nachdem Ende vergangenen Jahres Hinweise auf seine Person als einen vom VS in die taz placierten Spitzel ruchbar wurde, tauchte Norbert Hermsdorf ab und verschwand offenbar unter Mithilfe des Amtes spurlos von der Bildfläche. Vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuß, der sich in Berlin seit Mitte Dezember mit den Skandalen des Verfassungsschutzes befaßt, hatte Staatssekretär Müllenbrock im letzten Mittwoch eingräumt, vom Geheimdienst in der Zeit, als er noch als Staatsanwalt tätig war, um Mithilfe bei der „Operation“ gegen eine Zeitung gebeten worden zu sein. Nach Müllenbrocks Angaben ist daraus jedoch nichts geworden, eine Entscheidung über die Placierung eines V-Mannes in der taz nie gefällt worden. Ein Widerspruch bestehnt jedoch nur scheinbar: Spitzel Hermsdorf war in seiner taz-Zeit kein Mitarbeiter des Verfassungsschutzes und auch kein V-Mann sondern V-Mann auf Probe. Danach wurde Müllenbrock aber nicht gefragt.

Hinweise, nach denen außer Hermsdorf mindestens noch ein weiterer Informant des Geheimdienstes in die taz eingeschleust war, dementiert der Senat hartnäckig. Siehe Tagesthema Seite 3

Lesen gegen das Patriarchat

Auf taz.de finden Sie eine unabhängige, progressive Stimme – frei zugänglich, ermöglicht von unserer Community. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen