: Ohne Krimi geht die Mimi...
■ Schlaflose Nächte bereiten die Frauenkrimis aus dem Argument-Verlag / Schwarzglänzend das Äußere, witzig und unbeschreiblich weiblich das Innere / Frauen spielen die erste Geige: als Autorinnen und Protagonistinnen
So was kommt mir nicht mehr ins Haus! Die Dinger rauben mir noch den letzten Schlaf. Bei chronischer Arbeitsüberlastung, Arbeitssucht, wie manche meinen, dann auch noch das: Statt um zwei Uhr das Licht zu löschen, wird es plötzlich vier Uhr und später.
Krimis. Seit Jahren hatte ich keinen gelesen. Was für andere der Inbegriff von Entspannung ist, bedeutet mir nichts. Statt mit Mord und Totschlag relaxe ich lieber in der Badewanne und guck‘ einen alten Film. Spezialität: schwarze Serie.
Schwarz war das Päckchen auch, das vor einigen Wochen auf meinem Schreibtisch landete, genauer: schwarz-glänzend wie die modernen Lackmöbel. Unsere neue „Frauen-Krimi-Reihe“, hatte die Lektorin vom Argument-Verlag angekündigt und mir Feministisches versprochen. Wahrscheinlich ein gutgemeintes Projekt mit schrecklich schlecht gemachten Büchern, dachte ich und blätterte im Vorwort von Frigga Haug. „Wir hegten die Hoffnung, Frauen könnten andere Krimis schreiben als Männer“, las ich dort und erfuhr von der Suche nach geeigneten Manuskripten. Nicht nur die Autorinnen sollen weiblich sein - was in der Krimibranche ja nichts Ungewöhnliches ist -, sondern auch ihr Zugriff auf das Thema, denn die Frauen-Krimi-Reihe will mit den üblichen Weiblichkeitsklischees brechen und uns nicht nur als Püppchen oder Schrullen darstellen. Die sozialen Bezüge sollen deutlich werden, unser Alltag Beachtung finden und das weibliche Selbstbewußtsein zur Geltung kommen.
Vorwortschreiberin Frigga Haug hat sich Mühe gegeben, das neue Projekt des Verlags locker an die Frau und den Mann zu bringen. Doch wo so viel gesollt und gewollt wird, geht die Leselust erstmal flöten. Derlei Gutgemeintes ist nicht rezensierbar und nur für eine Pflichtübung tauglich. Die lackschwarzen Bücher lagen dementsprechend lange ungelesen bei mir herum, bis, ja bis ich anfing und ..., dann war es um mich geschehen. Frauenliebe...
Durch Zufall war mir der beste Krimi zuerst in die Hand geraten: Wenn die grauen Falter fliegen von Marion Foster. Ein Lesbenkrimi, der in Kanada spielt, aber sehr an den Itzehoer Mordprozeß 1974 gegen Marion Ihns und ihre Freundin Judy Andersen erinnert. Frauen, die anders sind und anders leben als die Nachbarn, sind immer suspekt. Und wenn dann noch Sex ins Spiel kommt - oh weia, dann steht das Urteil fest, dann ist den Frauen auch Mord zuzutrauen. Wie sich Vorurteile zu einem Urteil verdichten, wie eine Frau fertiggemacht und verhaftet wird, weil gestandene Bürger in Form von vagen Vermutungen gegen sie aussagen, daß erzählt der Frauenkrimi von Marion Foster: Angeklagt ist Leslie Taylor, ihre verheiratete Freundin und Geliebte umgebracht zu haben. Minuziös schildert die Autorin, wie Richter, Geschworene und Publikum auf die verdächtigte Frau reagieren, die sich schließlich sogar selbst offensiv als Lesbe bezeichnet. Dabei verschweigt Marion Foster nicht, mit welchen Tricks die öffentliche Meinung beeinflußt werden kann. Wer ein dezentes Make-up auflegt, feminine Kleidung trägt und im richtigen Moment sanft lächelt oder, je nach Situation, ernst und gefaßt wirkt, der hat die Sympathien auf seiner Seite: Wer hübsch und nett und sogar reizvoll ist, kann einfach nicht böse sein. Schöne und warmherzige Menschen haben eben die Chance, daß man ihnen unter Umständen ihre „abnormale Neigung“ verzeiht. Ausnahmsweise, versteht sich. Und ob Leslie schuldig ist ..., das will ich lieber nicht verraten.
Krimischreiberin Marion Foster amüsiert sich über die Dummheit der Leute, das ist sehr deutlich, ihr Prozeßbericht ist gut gewürzt mit Ironie, sie weiß, was LeserInnen wollen: nach allem Durcheinander doch ein Happy-End. Die Angeklagte kriegt schließlich die schöne Anwältin oder auch umgekehrt.
Insofern irrt Vorwortschreiberin Frigga Haug. Das „gewöhnliche Happy-End“ gibt es nicht, schreibt sie, „denn das würde ja bedeuten, daß in den vorhandenen Anordnungen eine glückliche Lösung möglich wäre“. Bei Marion Foster ist sie möglich. Denn wer sich nun kriegt, ob ein Heteropaar oder eins der homosexuellen Sorte, ist schließlich egal. Die Hauptsache, am Ende gibt's Liebe, und die erscheint, von außen betrachtet (wohlgemerkt, von außen!), doch immer gewöhnlich, um nicht zu sagen trivial. Oder? Eine Kostprobe mag das belegen: „Leslies Arme umschlangen sie, und ihre Lippen berührten Harriet so sanft und leicht und sinnlich, als würde ein Schmetterlingsflügel sie streifen. Harriet schloß die Augen. Einen Moment lang staunte sie, wie richtig dieser Augenblick war...“ ...alte Jungfern...
So liebevoll geht es in den anderen Krimis nicht zu, in ihnen fliegen auch keine Schmetterlinge. Das Geheimnis der alten Jungfer, von einer Autorin mit männlichem Pseudonym, ist eine langatmige und etwas umständlich erzählte Geschichte. Sie handelt von alten Leuten, die wider Willen in Heime abgeschoben werden, und von einem Waisenkind, das um sein Vermögen gebracht werden soll. Die soziale Seite wirkt hier allzu penetrant, sie lebt von einer einzigen Idee: Alte sind lästig und werden schnell für verrückt erklärt. Das wiederholt die Autorin alle paar Seiten, um dann, ebenso penetrant, immer aufs neue zu betonen, wie nett und helle doch die RentnerInnen in Wirklichkeit sind. Das ist etwas dünn für über 200 Seiten. Insgesamt wären Kürzungen vorteilhaft gewesen, sie hätten Das Geheimnis der alten Jungfer bestimmt noch vergrößert. Diese Jungfern haben's übrigens in sich, wie der Krimi zeigt. Es lohnt durchaus, sich mit ihnen zu befassen!
Was bei allen Büchern fehlt, aber dem Geheimnis der alten Jungfer besonders abträglich ist, sind Hinweise auf die Autorinnen. Die zehn Zeilen auf dem Cover reichen nicht aus. Ich will wissen, mit wem ich es zu tun habe, insbesondere dann, wenn in gängigen Nachschlagewerken nichts über die jeweiligen Schreiberinnen zu finden ist. Und daß eine Autorin unter dem Pseudonym Anthony Gilbert schreibt, erregt meine Neugier. Wer ist sie? Warum der falsche Name und warum ausgerechnet der eines Mannes? Muß sich die Autorin verstecken? Ist sie vielleicht untergetaucht? ...und alleinerziehende Mütter
Untergetaucht ist Mark in dem gleichnamigen Krimi von Joy Magezis. Es ist die Story von Alison, einer alleinerziehenden Mutter, und ihrer Tochter Francie, die sich auf die Suche nach Mark machen. Mark, ehemaliger Aktiver in der Studentenbewegung, ist der Vater von Francie und hat sich, auf der Flucht vor der Polizei, aus San Franzisko abgesetzt und lebt nun in England. Er ist im Besitz von Informationen, die einen Zusammenhang zwischen amerikanischer Polizei und deutscher Gestapo belegen. Wie der politische Fall mit einem persönlichen Drama verwoben ist, wie Polizeiterror und gekränkte Liebe, studentenbewegtes Engagement und feministisches Bewußtsein zu einem Chaos führen, das erzählt der Krimi von Joy Magezis.
Zugegeben, das Ganze erscheint mir ein bißchen arg feministisch zurechtgebogen, so als hätte man eine biedere Mahlzeit wie Kartoffelsalat mit einer Cocktailkirsche verziert: Wenn eine Frau sich wehrt und notfalls auch zurückschlagen kann, finde ich das prima, aber muß unbedingt eine Büste Virginia Woolfs als Waffe dienen?
„Ariadne“ haben die Frauen des Argument-Verlags ihre Krimireihe getauft, nicht nach der unglücklichen, von Theseus verlassenen Ariadne, die auf Naxos den Tod erwartet, sondern nach der Ariadne, die den klugen Einfall mit dem Faden hatte und damit Theseus den Weg aus dem Labyrinth wies. Ein schöner Name, der sich unter frauenbewegten Zeitgenossinnen einiger Beliebtheit erfreut. Es kassandrat und ariadnelt allerorten.
Schreiben Frauen andere Krimis als Männer? Eine leidige Frage. Mein Vorschlag: fragen wir lieber bescheidener: Unterscheiden sich diese Krimis von anderen? Antwort: Ja. Hier stehen Frauen im Mittelpunkt, die Männer spielen die zweite Geige. Das führt zu witzigen Effekten, weil die Wirklichkeit eben noch anders funktioniert. Ob sie damit gleich besser sind als andere, ist schwer zu sagen. Ich habe mich gut dabei unterhalten.
Und dennoch: Ins Haus kommt mir so etwas nicht mehr. Schließlich sind die Nächte immer noch zum Schlafen da. Jedenfalls die meisten.
Ariadne-Krimis im Argument-Verlag. Bisher erschienen sind:
Anthony Gilbert: Das Geheimnis der alten Jungfer. Aus dem Englischen von Melanie Langenberger.
Marion Foster: Wenn die grauen Falter fliegen. Aus dem Amerikanischen von Andrea Krug.
Joy Magezis: Untergetaucht. Aus dem Englischen von Gabriela Mischkowski.
Je Band 13 Mark. Die Reihe wird fortgesetzt. Pro Jahr sollen vier Krimis herausgebracht werden.
Heide Soltau
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