Gegenkandidat für Weizsäcker

Grüne wollen eigenen Kandidaten für Bundespräsidenten nominieren / Sitzung des Bundeshauptausschusses in Bonn / Entlassung von Bundestiefflugminister Scholz gefordert / Diskussion um DVU-Postwurfsendung  ■  Aus Bonn Gerd Nowakowski

Auf der Sitzung des Bundeshauptausschusses haben die Grünen am Wochenende in Bonn beschlossen, für die Wahl des Bundespräsidenten am 23.Mai einen eigenen Kandidaten zu suchen. Nach dem einstimmigen Beschluß des „Kleinen Parteitags“ sollen der kommissarische Parteivorstand, Fraktionsvorstand und Mitglieder des Bundeshauptausschusses in einer internen Abstimmung nach geeigneten Personen suchen. Namen wurden noch nicht genannt.

Bundesgeschäftsführer Eberhard Walde, der den Antrag einbrachte, möchte mit einer eigenen KandidatIn auch im Vorfeld des Europawahlkampfs politische Signale setzen.

Der Beschluß bedeutet wahrscheinlich einen Konflikt mit Teilen der Bundestagsfraktion, von denen einige bereits angekündigt haben, Weizsäcker für eine zweite Amtsperiode zu unterstützen. Otto Schily bezeichnete den Beschluß als „Albernheit“ und betonte, er werde Weizsäcker wählen und in der Partei auch dafür werben. Schily bemängelte, daß der Entscheidung des BHA keine politische Diskussion in der Partei vorausgegangen sei, und bezweifelte, daß das Gremium zu einer solchen Entscheidung überhaupt legitimiert sei.

Einen Konflikt zwischen Partei und Bundestagsfraktion sieht Parteigeschäftsführer Walde dagegen nicht. Er geht davon aus, daß es auch in der Bundestagsfraktion eine Mehrheit für einen eigenen Kandidaten gibt und daß auch Teile der SPD diese Initiative unterstützen würden.

Die Wahl des Bundespräsidenten erfolgt aus einem Wahlgremium, dem die Bundestagsabgeordneten und Vertreter der Länderparlamente zu gleichen Teilen angehören. Die SPD -Führung hat sich bereits für Weizsäcker ausgesprochen.

Der Bundeshauptausschuß hat sich darüber hinaus mit weiteren Themen beschäftigt. So forderte er die Entlassung von Verteidigungsminister Scholz. Scholz sei „eine Gefahr für den Frieden“ und halte außerdem mit „unglaublicher Sturheit“ am Tiefflug fest.

Scharf verurteilt wurde die von der Post versandte Wurfsendung der rechtsradikalen Deutschen Volks-Union (DVU) zur Europawahl. Der Inhalt sei volksverhetzend und antisemitisch, hieß es in der Diskussion. Bundesgeschäftsführer Walde hat inzwischen Strafanzeige gegen den Bundespostminister Schwarz-Schilling (CDU) wegen Beihilfe zur Volksverhetzung gestellt.

Zu einer längeren Diskussion kam es um die Frage, ob das Mitglied der Grünen im Bundeswahlausschuß zu den Europawahlen für oder gegen die Zulassung der DVU stimmen solle und ob die Grünen darüber hinaus für Verbote von rechtsradikalen Parteien eintreten sollten.

Mit einer Gegenstimme wurde beschlossen, im Bundeswahlausschuß gegen die Zulassung der DVU zu stimmen, auch wenn die formalen Voraussetzungen für die Teilnahme an der Europawahl gegeben seien. Außerdem sollen in der öffentlichen Sitzung des Gremiums die politischen Differenzen zu den Rechtsradikalen sichtbar gemacht werden.

Der Bundeshauptausschuß beriet ebenfalls noch über den Haushaltsentwurf und über die organisatorische Vorbereitung der von der „Aufbruch„-Gruppe geforderten Urabstimmung. Die Debatte war bei Redaktionsschluß noch im Gange.