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Lauschangriff vom Oberstaatsanwalt

■ Telefon eines Angeklagten in Bad Kreuznach abgehört / Verteidigergespräche mitgeschnitten

Bad Kreuznach (taz) - Der Leitende Oberstaatsanwalt sowie Richter in Bad Kreuznach haben den gesamten Telefonverkehr eines Angeklagten überwachen lassen. Nach der Urteilsverkündung in einem Prozeß wegen Brandstiftung und Versicherungsbetrugs vor der 2.Strafkammer des Landgerichts wurde bekannt, daß vor dem Ende des Hauptverfahrens der Leitende Oberstaatsanwalt und die zuständigen Richter dieses in einer Geheimsitzung beschlossen und auch durchgeführt hatten. In der Überwachung war auch der Mitschnitt der Gespräche des Angeklagten mit seinen Verteidigern enthalten.

Die Anordnung war mit Zweifeln an den Aussagen eines Zeugen begründet worden. Der Zeuge soll „möglicherweise vom Angeklagten zu einer Falschaussage“ veranlaßt worden sein. Sämtliche Tonbänder mitsamt Abschriften lagen nach der Urteilsverkündung wochenlang mit Billigung des Staatsanwalts bei der örtlichen Polizeibehörde herum. Auf die Verpflichtung angesprochen, die Bänder nach dem Urteil sofort zu vernichten, erklärte der zuständige Beamte: „Wenn wir die Bänder wieder benutzen, werden sie ja automatisch überspielt.“ Erst auf massiven Protest hin wurden die Aufzeichnungen vernichtet. Die Tatsache, daß die mitgeschnittenen Gespräche tatsächlich gelöscht wurden, beweist, daß die Polizisten für diesen „ungewohnten technischen Vorgang“ ihre Privatgeräte zur Verfügung stellen mußten, die Dienstapparate haben keinen Löschknopf. Da auch die Protokolle vernichtet wurden, ohne dem Verteidiger, wie zunächst zugesichert, Einblick zu gewähren, wurde der Nachweis des Lauschangriffs immer schwieriger. Allerdings hatte der Staatsanwalt zu diesem Zeitpunkt bereits zugegeben, daß der Mitschnitt generell Probleme aufwerfe. Zwar seien „die Anwaltsgespräche auf Band gewesen“, aber nicht ausgewertet worden. Da der Verteidiger des Angeklagten, Klaus-Peter Gerharz, erst eine Woche nach der Urteilsverkündung vom Gericht über die Lauschaktion informiert wurde, konnte er sie nicht in sein Schlußplädoyer einbeziehen. „Ich fühle mich richtiggehend verarscht.“ Hätte er rechtzeitig davon erfahren, hätte „eventuell“ das Urteil anders ausgehen können. Der Angeklagte war zu sechs Jahren Haft verurteilt worden.

Der Anwalt des Zeugen erstattete nach Bekanntwerden der Aktion beim Landgericht Bad Kreuznach Strafanzeige „wegen der Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes“. Da der Leitende Oberstaatsanwalt selbst in die Affäre verwickelt ist, übergab er die Strafanzeige dem Koblenzer Generalstaatsanwalt Ulrich. Je mehr Details der Abhöraffäre jetzt an die Öffentlichkeit gelangen, umso unwohler fühlt sich Ulrich. Hatte er noch vor einer Woche zuversichtlich verkündet, „in drei Tagen ist die Angelegenheit sicherlich erledigt“, muß er inzwischen umfangreiche Ermittlungen führen.

Verteidiger Gerharz legte inzwischen Beschwerde ein gegen den Inhalt der Abhörbeschlüsse und beantragte eine Überprüfung der Art und Weise der Durchführung der umstrittenen Beschlüsse. Gleichzeitig will er dann selbst eine umfangreiche Strafanzeige beim Generalstaatsanwalt erstatten. Es gehe hier schließlich nicht nur um „eine Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes“, sondern um die grundsätzliche Problematik, wie man „das persönliche, unabhörbare Telefongespräch zwischen Anwalt und Mandant garantieren kann“.

Michael Bonewitz/eka

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